Der 18-jährige J. und der 22-jährige W. waren aktive Neonazis in Salzburg. Nun wollen sie Jugendlichen, die aus der rechten Szene aussteigen wollen oder in Gefahr sind einzusteigen, helfen.

Foto: Turnaround

Salzburg - W. kam bereits mit 13 Jahren mit der rechten Szene in Kontakt. "Die Skinheads haben mir geholfen, als ich Probleme mit ausländischen Mitschülern hatte", sagt der inzwischen 22-Jährige. Als er Probleme mit der Polizei bekam, sei von seinen "Kameraden" niemand mehr für ihn da gewesen. W. ist einer der Angeklagten im Prozess um die Beschmierung von Stolpersteinen, die an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern sollen. Seine Verhandlung beginnt am 22. Jänner. In der U-Haft habe er sich komplett gedreht, sagt W. Er bereue seine Taten und wolle den Schaden wiedergutmachen.

Auch J. war aktiver Neonazi und stark etabliert in der rechten Szene Salzburgs. Als er 13 Jahre alt war, sei das in seiner Heimatgemeinde im Flachgau ein regelrechter Hype gewesen. Der heute 18-Jährige wurde bereits zu einer bedingten Haftstrafe von einem Jahr verurteilt, weil er bei einer rechtsextremen Sprayaktion Schmiere gestanden war und ein rechtes Chat-Forum betrieben hatte.

"Zieht eure Springerstiefel aus"

Die beiden haben sich in der U-Haft kennengelernt und sich inzwischen aus der rechtsradikalen Szene zurückgezogen. Nun wollen sie Jugendlichen helfen, die ebenfalls aussteigen wollen oder in Gefahr sind, einzusteigen. Unter dem Motto "Zieht eure Springerstiefel aus" werden sie potenzielle Aussteiger beraten und ihnen mit Tipps und Hilfestellungen zur Seite stehen.

Dazu wurde eine Facebook-Seite eingerichtet, die einen niederschwelligen Zugang für Hilfesuchende ermöglich soll. Die Beratung kommt direkt von den zwei Ex-Neonazis, unterstützt werden sie dabei von Cornelia Grünwald. Die Sozialarbeiterin der Kinder- und Jugendanwaltschaft (Kija) Salzburg besucht straffällig gewordene Jugendliche in der Haft und gab den Anstoß zu der Zusammenarbeit mit den ehemaligen Rechtsextremen.

Erster Schulworkshop im Februar

Das Pilotprojekt der Kija nennt sich "Turnaround" und bietet neben der Ausstiegsberatung auch präventive Schulworkshops an. Laut Experten dauert es rund ein Jahr, bis jemand radikalisiert ist. Bis zu diesem Zeitpunkt könnten Gegenmaßnahmen noch greifen. Genau in diesem Prozess will das Projekt ansetzen. Die Zielgruppe sind Jugendliche ab zwölf Jahren. Der erste Workshop in einer Neuen Mittelschule findet im Februar statt.

Die beiden Ex-Neonazis werden von ihren Erfahrungen mit dem Rechtsradikalismus und ihrem Ausstieg berichten. "Im Gefängnis war ich mit Ausländern in der Zelle, mit denen bin ich gut ausgekommen. Sie haben mir geholfen, mich umzudrehen", sagt W. Als Gegenpol soll Raim Schobesberger von seinen Erfahrungen als Vertreter einer Volksgruppe, die von der rechten Szene als Feindbild gesehen wird, erzählen. Schobesberger ist der Obmann des Vereins für Roma-Integration "Phurdo".

Bettler als Feindbild

Die Bettler in Salzburg seien das aktuelle Feindbild der Neonazi-Szene, erklärt J. Als er selbst noch als Neonazi aktiv war, habe er sich keine Gedanken darüber gemacht, inwieweit diese Feindbilder gerechtfertigt seien. "Die populistischen Aussagen waren für mich die Wahrheit."

In Salzburg gebe es rund zehn bis 15 Neonazi-Kleingruppen, schätzt J. Man treffe sich konspirativ, und ein Anführer würde bestimmen, was zu machen sei. Um Hass und Aggressionen zu schüren, werde alte Propaganda mit aktuellen Themen, wie der Islamisierung, verknüpft. Die Schwächsten, die keine eigene Meinung haben, würden herausgepickt und für Aktionen instrumentalisiert werden, ergänzt W. "Uns wurde eingetrichtert, dass das, was wir im Geschichteunterricht gelernt haben, eine Lüge ist." (Stefanie Ruep, DER STANDARD, 17.1.2015)