Bild nicht mehr verfügbar.

Antonis Samaras wird von François Hollande zur Solidaritätskundgebung willkommen geheißen.

Foto: APA/EPA/Valat

Als die Kouachi-Brüder am 7. Jänner die Redaktion von "Charlie Hebdo" stürmten und zwölf Menschen erschossen, hatte Antonis Samaras ein Thema für seine Wahlkampfreden: „Ihr seht, was in Europa geschieht. Heute hatten wir ein Massaker in Paris mit zwölf Toten, während einige Leute hier ausländische Einwanderer einladen.“

Mit „einige Leute“ waren natürlich die griechischen Linken von Syriza und den für Samaras als politische Gegner weit weniger wichtigen Kommunisten der KKE und Antifaschisten von Antarsya gemeint. Für den Missbrauch der Terrorakte in Paris zu eigenen politischen Zwecken musste der konservative griechische Regierungschef einige Kritik auch von liberalen Griechen einstecken.

Reines Kalkül

Samaras nahm dann am Solidaritätsmarsch in Paris am 11. Jänner teil. Doch ein Ausrutscher war der Verweis auf "Charlie Hebdo" nicht, sondern reines Kalkül: Samaras, der seine Nea Dimokratia im Lauf der vergangenen Jahre deutlich weiter nach rechts geschoben hat, will nicht nur Syriza als eine Partei darstellen, der man die Sicherheit des Staats nicht anvertrauen könne. Er schielt gleichzeitig auf die Protestwähler der Faschisten von Chrysi Avgi und Anel, der Unabhängigen Griechen, aber auch auf langjährige frühere Pasok-Wähler, die bei den Parlamentswahlen 2012 statt der Sozialisten die radikalere Syriza ausprobierten, aber mit deren liberalen Sicherheitspolitik vielleicht nicht einverstanden sind. Es sind um die 15 Prozent der Wähler, die diesen Parteien heute im Vergleich zu 2012 abhandengekommen und die für Law-and-Order-Parolen empfänglich sind. Samaras braucht sie, um Syriza bei den Wahlen am 25. Jänner zu überholen.

Schon Anfang Jänner, als Samaras seinen Wahlkampf mit einem Besuch in der Region Evros in Nordgriechenland, an der Grenze zur Türkei, begann und auch den neu errichteten Zaun zur Abwehr von Flüchtlingen besichtigte, griff er die Koalition der Radikalen Linke (Syriza) an. „Ihre Ansicht ist, dass illegale Einwanderer in das Land kommen können und dass wir ihnen dazu noch die Staatsbürgerschaft, Sozialversicherungen und Gesundheitsfürsorge geben sollen“, erklärte der Regierungschef. Der Grenzzaun habe sich positiv ausgewirkt, behauptete Samaras: „Wir werden nicht erlauben, dass er abgerissen wird, damit Einwanderer ohne Papiere ins Land kommen können.“

Und schließlich gingen Samaras und seine Nea Dimokratia mit einem Wahlspot an die Öffentlichkeit, der nochmals die Terroranschläge in Paris zur Diskreditierung der Linken in Griechenland benutzt. Vor den Bildern der Solidaritätsdemonstration in Paris erklärt eine Stimme: „In dem Augenblick, in dem sich Europa wappnet, schlägt Syriza die Entwaffnung der Polizei vor ...“

Das ist auch tatsächlich die Linie des linksstehenden Parteienbündnisses, allerdings nicht in Verbindung mit dem islamistischen Terrorismus, wie Samaras den Wähler zu suggerieren versucht: Die Griechen wollen keinen Polizeistaat, sagte Syriza-Chef Alexis Tsipras im Wahlkampf. Seine Regierung werde Polizeieinheiten entwaffnen, die in Kontakt mit Demonstranten kommen – die Konsequenz aus den vielfachen Polizeiübergriffe auf Pressefotografen und offenkundig friedlichen Demonstranten während der Protestkundgebungen gegen den Sparkurs in den vergangenen Jahren; vor allem aber aus dem Tod des Schülers Alexandros Grigoropoulos 2008.

"Willkommenszentrum" statt Sammellager

Tsipras kündigte bei einer Wahlkampfveranstaltung dieser Tage an, seine Regierung werde die umstrittenen Sammellager für illegale Einwanderer auflösen und durch „Willkommenszentren“ an den Punkten ersetzen, an denen Einwanderer auf griechisches Gebiet kommen – im Wesentlichen das Evros-Gebiet und einige Inseln nahe der türkischen Küste wie Lesbos. Seine Partei achte internationale Abkommen zum Asyl, erklärte Tispras; Kindern von Immigranten, die in Griechenland geboren werden, sollen die griechische Staatsbürgerschaft erhalten.

Die Regierung in Athen war in den vergangenen Jahren mehrfach vom Menschenrechtsbeauftragten des Europarats für ihren Umgang mit Immigranten kritisiert worden, sowohl wegen der laxen Strafverfolgung von Angriffen auf Einwanderern als auch wegen der Bedingungen, unter denen Flüchtlinge im Land interniert werden. Ein Asylverfahren nach EU-Standards funktioniert seit 2010 nicht mehr. Tsipras' Versprechen im Wahlkampf zu Asyl und Einbürgerung sind einigermaßen mutig: Ein großer Teil der griechischen Wähler lehnt eine Liberalisierung der Einwanderungspolitik ab. Der stellvertretende Parteichef der konservativen Nea Dimokratia und frühere Außenminister und Athener Bürgermeister, Dimitris Avramapoulos, ist EU-Kommissar für Migrationsfragen geworden. (Markus Bernath, derStandard.at, 18.1.2015)