Wien - Der Zeitungsverband hat seine "Kaffeehaus-Initiative" für gedruckte Medien am Freitagabend mit einer Podiumsdiskussion im Wiener Café Weimar eröffnet. Die Verbandspressestelle liefert dazu Zitate, durchaus im Sinne der Initative: "Ich sehe eine Gegenbewegung hin zu Print, die aus den Schwächen der Digitalisierung gespeist wird",, zitiert sie etwa Jürgen Grimm, Kommunikationswissenschafter an der Wiener Publizistik.

"Misstrauen gegenüber digitalen Medien"

Grimm beobachte einen Wandel in der Bewertung von Informationen: "Das Gedruckte erfährt eine Aufwertung durch die Internet-Revolution." Nicht zuletzt seit der Ukraine-Krise erkenne Grimm "ein Misstrauen gegenüber digitalen Medien."

Ukraine, aber auch der "Islamische Staat" hätten gezeigt, dass die Möglichkeiten der Desinformation mit den digitalen Medien gewachsen seien. Viele Nutzer würden daher den Berichten der gedruckten Zeitung mehr Vertrauen schenken als TV-Sendungen oder Informationen im Internet, zitiert der Zeitungsverband den Wissenschafter: "Beim Tohuwabohu der Informationsströme besteht ein Bedürfnis nach Nachhaltigkeit." Dieses Bedürfnis könnten gedruckte Zeitungen besser erfüllen als andere Mediengattungen.

Grimm habe auch an das Werk des Soziologen Jürgen Habermas erinnert, der sowohl dem Kaffeehaus als auch der Zeitung eine wichtige Funktion bei der Herstellung von Öffentlichkeit und dem Austausch von Meinungen einräumte. Laut Habermas können sich Bürger im Kaffeehaus treffen, Zeitungen lesen und sich darüber austauschen, erklärte Grimm.

Wenn Grimm da Habermas Habilitation "Strukturwandel der Öffentlichkeit" meinte - sie erschien 1962 erstmals.

Salomon "bekennende Vertreterin der Totholz-Presse"

Martina Salomon, stellvertretende "Kurier"-Chefredakteurin, stellte sich bei der Veranstaltung laut Zusammenfassung des Zeitungsverbands als "bekennende Vertreterin der Totholz-Presse" vor. "Das Tablet ist nicht der Heilsbringer, den wir alle in der Branche erwartet haben." Online-Plattformen der heimischen Tageszeitungen würden allesamt von den Print-Ausgaben leben. "Ohne Print gibt’s die alle nicht", erklärte Salomon. In Zukunft würden Redaktionen noch intensiver überlegen müssen, was Medien online stellen und was sie über Print verkaufen. "Das werden unterschiedliche Inhalte sein müssen, sonst kannibalisiert das Eine das Andere."

Im österreichischen Medienmarkt verdiene nach ihrem Befund derzeit nur ein einziger Blogger mit seinen Inhalten Geld, und das sei Andreas Unterberger, der aus dem Print-Bereich komme. Bezahlschranken für die Online-Plattformen heimischer Tageszeitungen sieht Salomon skeptisch: "So lange der ORF für seine Plattform kein Geld verlangt, können das die anderen auch nicht."

"Für Journalismus im Netz wieder zahlen"

"Presse"-Chefredakteur Rainer Nowak wollte kein "Plädoyer" für die gedruckte Zeitung halten. "Ganz so toll" sei die Print-Zeitung nicht, schließlich sei es "keine triviale Lösung", sie rechtzeitig täglich fertig zu stellen, zu drucken und quer durch das ganze Land zum Leser zu bringen. "Natürlich ist es einfacher, den Journalismus digital zu verbreiten. Aber da haben wir ein Problem mit dem Geschäftsmodell."

Deswegen seien laut Nowak – wohl mit Blick auf den ebenfalls anwesenden Nzz.at-Chefredakteur Michael Fleischhacker – "alle Versuche zu begrüßen, dass man für Journalismus im Netz wieder zahlen muss.

"Gedrucktes Wort bleibt länger im Gedächtnis"

Mein Leben ist im Rückblick ein einziger Versuch, die Wirte reich zu machen und auch die Kaffeesieder", resümierte der Autor und Journalist Helmut A. Gansterer, Anhänger des gedruckten Wortes. Der pensionierte "trend"-Herausgeber beschreibt Vorteile der Zeitung so: "Ich nehme das gedruckte Wort ernster, ich kann es mir leichter länger merken." (red, derStandard.at, 19.1.2015)