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Immer mehr Ärzte aus Osteuropa zieht es in den Westen - sehr zum Leidwesen von Gesundheitssystemen und Patienten.

Foto: dpa/apa/Angelika Warmuth

Alle wollen weg und wer gerade kann, der tut es auch. 80 Prozent der jungen Ärzte und Medizinstudenten im ärmsten EU-Mitglied Bulgarien wollen möglichst schnell ins Ausland wechseln. Das ergab eine Umfrage im letzten August. Beim EU-Kandidaten Serbien sieht es ganz ähnlich aus. Beim EU-Mitglied Kroatien regte ein Minister im Herbst an, man solle den Auswanderern eventuell einen Teil ihrer Ausbildungskosten in Rechnung stellen.

"Natürlicher Prozess"

Die kroatische Ärztekammer sieht trotz der Abwanderung von rund 800 Doktoren bis November letzten Jahres keinen Grund zur Panik. "Das ist ein natürlicher Prozess", macht Vorstandsmitglied Katarina Sekelj-Kauzlaric gute Miene zum bösen Spiel.

Doch was sie weiter sagt, könnte sich am Ende zu einem Riesenproblem auswachsen: Das Durchschnittsalter der Auswanderer liege bei 40 Jahren, daneben kehrten aber auch Top-Spezialisten ihrer Heimat den Rücken. Die Gründe: Höhere Verdienste, bessere Fortbildung, Bereitstellung von Dienstwohnungen, schnellere Karriere, modernere Arbeitsbedingungen und -geräte jenseits der Grenzen.

Hohe Dunkelziffer

Im armen Nachbarland Bosnien-Herzegowina reden die Ärztevertreter Klartext: Es drohe der "Kollaps des Gesundheitssystems", sagte Ärztekammer-Präsident Harun Drljevic der Zeitung "Dnevni avaz" in Sarajevo. Allein im vergangenen Jahr seien 570 Pflegekräfte nach Deutschland abgewandert, berichtet Boris Pupic von der Arbeitsagentur dem Portal klix.ba. Die seien ganz offiziell in Zusammenarbeit deutscher und bosnischer Behörden vermittelt worden. Die Dunkelziffer ist aber viel höher, weil die privaten Abwanderungskanäle von niemandem statistisch erfasst werden.

Rund 500 Ärzte seien im vergangenen Jahr aus Serbien ins Ausland gewechselt, schätzt das Staatsfernsehen. Zwischen 400 und 500 waren es in Bulgarien. Aus Rumänien haben 2.450 Ärzte die Seiten gewechselt. Dies betrifft vor allem Krankenhäuser, wo es mit 13.521 nur halb so viele Mediziner gibt wie vorgeschrieben. Vor vier Jahren wurden noch 20.648 Krankenhausärzte gezählt. Rechnet man die Abwanderung und den Abgang in den Ruhestand gegen die Hochschulabsolventen auf, fehlen Rumänien jedes Jahr 500 Ärzte.

Zusätzliche Anreize

Beliebteste Länder für die Abwandernden sind mit Abstand Deutschland und Österreich, gefolgt von Skandinavien und Großbritannien. In Serbien kann ein Spezialist bis zu 900 Euro im Monat verdienen. In Kroatien beträgt das Durchschnittseinkommen der knapp 20.000 Ärzte 5.200 Kuna (675,98 Euro). Nach 20-jähriger Berufspraxis steigt das Gehalt auf 9.000 Kuna (1.169,97 Euro). In Rumänien liegen die Gehälter zwischen 250 Euro und 1.500 Euro. Deutsche und österreichische Krankenhäuser locken auf Beschäftigungsmessen und einschlägigen Internetportalen mit Anfangsgehältern von 2.200 Euro netto.

Daneben wird die übliche Bereitstellung einer Dienstwohnung von den wechselwilligen Ärzten als zusätzlicher Anreiz betrachtet. Die Auswanderer stören die unattraktiven Gesundheitssysteme ihrer Heimatländer. In Kroatien verdienen alle Ärzte gleichen Alters und gleicher Qualifikation gleich viel. Und das Dazuverdienen in einer privaten Praxis ist schwierig: Das Gesundheitsministerium muss dazu jeweils eine Einzelerlaubnis ausstellen. (APA, derStandard.at, 19.1.2015)