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In den Niederlanden ist es normal, Kinder früh in den Kindergarten oder zur Tagesmutter zu bringen.

Foto: AP/JOERG SARBACH

Immer wieder wurde ich mit großen Augen angeschaut: was, du gehst schon wieder arbeiten? Meine Tochter war erst viereinhalb Monate alt und ich fing tatsächlich wieder an zu arbeiten. Was ich selbst davon hielt? Ich fand’s großartig.

In den letzten Tagen meiner Babypause wurde mir klar, dass für mich der Zeitpunkt gekommen war, mich wieder mit anderen Dingen zu beschäftigen als meine Tochter anzuschauen, Windeln zu wechseln und zu stillen. Ich bin gerne Mutter und liebe meine Tochter über alles – aber meine Arbeit liebe ich auch. Außerdem würde mein Arbeitsplatz einen völlig neuen Pluspunkt haben, den ich bis zu diesem Zeitpunkt kaum zu schätzen gewusst hatte: den puren Luxus, mich acht ganze Stunden lang nicht um mein Baby kümmern zu müssen.

Loslassen, aber nur ein bisschen

Nachdem ich meine Tochter zum ersten Mal bei der Tagesmutter abgegeben hatte, saß ich weinend im Auto. In den ersten Wochen hat meine Tochter bei der Tagesmutter kaum geschlafen. Oft habe ich mein kleines Mädchen mit müden Augen und roten Bäckchen abgeholt. Das war hart. Getröstet hat mich in diesen Momenten nur, dass ich auch zu diesem Zeitpunkt noch voll gestillt habe und meine Tochter auch bei der Tagesmutter nur Muttermilch bekam. Loslassen, aber eben nur ein bisschen.

So früh wieder arbeiten zu gehen, wurde vornehmlich von Bekannten aus Deutschland und Österreich hinterfragt. Mir ist nie vorgeworfen worden, eine Rabenmutter zu sein, aber das Mitleid für meine Tochter konnten sich einige dann doch nicht verkneifen. In den Niederlanden, in denen ich seit zehn Jahren wohne, ist dieser Schritt für eine Mutter Normalität.

Arbeitgeber muss Teilzeitarbeit zulassen

In den Niederlanden beträgt der gesetzliche Mutterschutz 16 Wochen. Ich hätte mein Baby sogar schon mit sechs Wochen in die Kindertagesstätte bringen können. Beide Elternteile haben außerdem Recht auf jeweils 26 Wochen "ouderschapsverlof", Elternzeit. Damit besteht die Möglichkeit, für einen bestimmten Zeitraum Teilzeit zu arbeiten oder auch die Babypause um ein halbes Jahr zu verlängern.

Der Arbeitgeber darf einen Antrag auf Elternzeit gemäß der Standardeinstellung, also ein Jahr lang die Hälfte der Stunden zu arbeiten, nicht ablehnen. Er muss Teilzeitbeschäftigung ermöglichen. Es sind durchaus Konstruktionen denkbar, in denen beide Elternteile gleichzeitig Teilzeit arbeiten, sodass sie sich die Versorgung des Kindes teilen können, ohne eine Kindertagesstätte in Anspruch zu nehmen. Elterngeld oder Kinderbetreuungsgeld gibt es in den Niederlanden nicht und auch der Kündigungsschutz endet mit dem Mutterschutz.

Mutterschutz um Urlaub verlängert

Ich habe Sozialpädagogik studiert und arbeite vier Tage pro Woche als Gruppenleiterin. Aus dem Gefühl heraus und dem Beispiel so mancher Arbeitskollegin folgend, hatte ich mit meinem Arbeitgeber abgemacht, meinen Mutterschutz um fünf bis sechs Wochen Urlaub zu verlängern. Meine Tochter sollte an meinem ersten Arbeitstag in jedem Fall nicht jünger sein als vier Monate. Mit Elternzeit habe ich mein Arbeitspensum außerdem für die Dauer eines Jahres auf drei Tage pro Woche reduziert. Mein Mann würde ebenfalls einen Tag weniger arbeiten.

Da sich meine unregelmäßigen Arbeitszeiten mit den Öffnungszeiten und Vertragsbedingungen einer Kindertagesstätte nicht vereinbaren ließen, haben wir uns für eine Tagesmutter entschieden. Wir konnten eine liebe und erfahrene Tagesmutter finden, die bei sich zu Hause zwei bis fünf Kinder im Alter von 0 bis 4 Jahren betreut. Mein Mann würde unsere Tochter während meiner Spät- und Wochenenddienste versorgen und die Tagesmutter während der übrigen ein bis zwei Tage in der Woche.

Keine Zweifel

An meiner Entscheidung, früh wieder arbeiten zu gehen, habe ich nie gezweifelt. Ganz im Gegenteil: Abwechselnd Mutter und Gruppenleiterin sein zu können, bietet mir in beiden Rollen die Möglichkeit zu wachsen. Für mich war vor allen Dingen die Abwechslung und das Betrachten des Erlebten aus der jeweils anderen Perspektive genau das, was ich zu diesem Zeitpunkt brauchte um eine bessere, entspanntere Mutter sein zu können.

Als Mutter gibt es so viele Momente des Zweifelns. Es ist geradezu eine Wohltat, etwas Abstand nehmen zu können, sich auszutauschen und danach das Spielfeld mit neuer Energie zu betreten. Keinesfalls will ich behaupten, dass der Austausch unter Müttern, die sich während ihrer Babypause auf dem Spielplatz treffen oder zusammen zum Babyschwimmen gehen, weniger wertvoll ist. Aber er ist ein anderer.

Persönliche Freiheit, staatlicher Zwang

Hätte ich eigentlich eine Wahl gehabt? Schon. Ich hätte die Elternzeit voll beanspruchen können. Oder mein Mann hätte das tun können. Eine einjährige (oder sogar noch längere) Babypause hätte ich mir jedoch eindeutig nicht leisten können.

Der niederländische Staat bietet einem somit wenig Freiraum, eigene Vorstellungen, wie eine Babypause einzurichten ist, zu verwirklichen. Mit Mutterschutz und Elternzeit ist nach ungefähr acht Monaten Schluss. Wer auch danach noch zu Hause bleiben will um sich um den Nachwuchs zu kümmern, ist (finanziell) auf sich allein gestellt. Die Normalität der Entscheidung, früh arbeiten zu gehen, die für mich persönliche Freiheit bedeutet, schränkt andere ein.

Mittlerweile ist meine Tochter fast dreieinhalb Jahre alt und sie geht immer noch sehr gern zu ihrer Tagesmutter. Vor drei Monaten hat sie auch zum ersten Mal ihren kleinen Bruder mitgenommen. Auch die zweite Babypause habe ich verlängert. Und sowohl mein Mann als auch ich arbeiten einen Tag weniger pro Woche. Mein Sohn war fast viereinhalb Monate alt, als er zum ersten Mal zur Tagesmutter ging. Und ich freue mich für ihn, dass er seine große Schwester dabei hat. Und für mich, weil ich ganz allein im Auto sitze, auf dem Weg zur Arbeit. (Daniela Grob, derStandard.at, 12.2.2015)