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Wer fit sein will, muss pumpen.

Foto: AP/Lefteris Pitarakis

Während vor ein paar Jahren der Großteil der Jugendlichen noch jede freie Minute vor Playstation, Xbox oder PC zum "Zocken" genutzt hat, stehen jetzt Burpees und Sit-ups auf dem Programm.

"Schicht is' Pflicht" – so lautet das neue Lebensmotto. Sobald man seine "Sweet Sixteen" erreicht hat, öffnen viele Fitnessstudios die Pforten für das junge Publikum, und der Ansturm ist gewaltig. Einzige Bedingung: Bei der Erstanmeldung bedarf es einer schriftlichen Einverständniserklärung der Eltern. Doch das sollte das geringste Problem darstellen, denn welche Mutter, welcher Vater hat schon etwas dagegen einzuwenden, wenn der Nachwuchs körperliche Aktivität dem "Vor der Glotze chillen" vorzieht und lieber in der Kraftkammer "Gwichtln schupft" oder auf dem Laufband schwitzt?

Der günstige Weg zum "Perfect Body"

Finanziell gesehen gibt es auch wenig Grund zur Sorge, denn seitdem Fitnessstudio-Disconter schon fast so zahlreich wie McDonald's-Filialen aus dem Boden schießen, wird der Weg zum "Perfect Body" spürbar leistbarer. Mit knapp 20 Euro pro Monat wird der Einstieg gleich noch attraktiver, zumal den Eltern früher ein neues PC-Spiel die gleiche Summe, wenn nicht sogar mehr, aus der Tasche gezogen hat.

An sich also eine gute Sache, in den "Healthy Lifestyle" der Sprösslinge zu investieren – wenn da bloß nicht wieder der Hang zur Übertreibung wäre. Erstmal in der "Muskelszene" angelangt, weht ein anderer Wind. Dann reicht es nicht mehr, dreimal pro Woche den Körper zu kräftigen oder das Herzkreislaufsystem mit Ausdauertraining in Schwung zu bringen. Nein, dann heißt es "pumpen, bis der Muskel brennt", und es werden fleißig Trainingspläne erstellt: "Zweier-Split", "Leg Day" und "Ganzkörper-Workout" – alles wird durchprobiert, jede Muskelgruppe wird "hoart durchzogn".

Kein Salat!

Und da nach dem Training vor dem Training ist, heißt es, ab sofort auch die Ernährung komplett umzustellen. Die fetten Jahre sind vorbei! Eigene Pre-Workout und Post-Workout-Mahlzeiten sollen helfen, aus dem "Six-Speck" ein "Six-Pack" zu formen. Was dazu benötigt wird, zeigt ein Blick in den Automaten des Fitnessstudios: "Super Victory Whey Protein Pulver" in allen Geschmacksrichtungen, "Professional Triple Whey Aminotabletten", "Creatin XT Deluxe Kapseln" und "Multipower 50% Protein Power Bar Eiweißriegel". Klarer Fall also: Eiweiß muss her! Und zwar viel Eiweiß. Massig Eiweiß ... für die Masse!

Das muss jetzt auch die Mutter akzeptieren, denn ihr traditionelles Pausenbrot für die Schule wird ersetzt durch Eiweiß-Shakes zum Mitnehmen, und statt selbstgebackenem Gugelhupf gibt's zum Frühstück Omelette oder hartgekochtes Ei. Statt Fußball-WM-Stickern von Panini werden jetzt Ernährungspläne und Low-Carb-Rezepte ausgetauscht.

Besonders schlimm wird es dann in der "Definitionsphase" des Trainings, denn dann wird auf "Low Carb Diet" gesetzt, es gibt also so gut wie gar keine Kohlenhydrate mehr. Entwässerungskuren von der Großmutter und Entschlackungstees von der Mutter sind dann das Mittel zum Erfolg, am Abend gibt es Magertopfen oder Putenbrust. Wenn man gnädig ist, gesellt sich vielleicht ein Stück selbstgebackenes Eiweißbrot dazu, aber das war es dann auch schon.

Und nicht zu vergessen: um Himmels willen keinen Salat! Ja kein Salat, denn "Bruder, besser du hast ein Rumpsteak parat – denn jeder weiß, der Bizeps schrumpft vom Salat – bedenke stets, willst du keine Arme wie'n T-Rex – merk dir eins, Bursche, vom Salat schrumpft der Bizeps", so formuliert es der deutsche Rapper Kollegah, der neben motivierenden "Sounds und Beats" auch wertvolle Fitnessratschläge an seine "Homies" verteilt.

Mit Soundtrack zur Viechwerdung

Der richtige Beat, das nächste Schlagwort, denn der darf beim Training auf gar keinen Fall fehlen! Mit "bombeee" Beats, Headphones auf dem Kopf und "'nem saugeilen Bass im Ohr" kann man beim "Bankldrucken" gleich "poa Scheibn mehr draufhaun" und in der Beinpresse 120 Kilo "zafetzen". Ganz nach dem Motto: "Je mehr, Testo(steron) besser."

Im Sinne der Präsentation ist natürlich auch ein "Muscleshirt" absolutes "Must-have": Ein Oberteil mit monströsem Ausschnitt im Brustbereich und extra so konzipiert, dass sich ja kein Oberkörpermuskel – egal, ob in der Vorder-, Hinter- oder Seitenansicht – in der Betonung benachteiligt fühlt.

Hat man es einmal so weit gebracht, dass der Brustmuskel das Shirt zum Spannen bringt, dann ist es eindeutig an der Zeit, sich den Oberkörper kahlzuharzen, um noch mehr "Viech" auszusehen. Und wenn einem dann beim Squatten "Läuft bei dir!" zugerufen wird, hat man den endgültigen Sprung vom "Ghettoknochen" zum "Zerleger" geschafft.

Dann geht’s ab zum Posing vor dem Spiegel: Kurzhantel in die Hand, leicht schiefe Kopfhaltung, dezent gequälter Blick, Brust raus und Bizeps anspannen, kurz noch mal Pose checken, Handy raus und Selfie machen. Dann aber schnell umziehen und ja nicht auf den Post-Workout-Snack vergessen: Magertopfen mit Mineralwasser ... mmmh, wie lecker. Zu Hause dann schnell ins Bettchen und chillen, denn Regeneration muss sein!

In diesem Sinne, Burschen: Eat, Sleep, Train, Repeat. (Tina Zeinlinger, derStandard.at, 26.1.2015)