Dirigent Joji Hattori, Gastdirigent des Wiener Kammerorchesters, eröffnet in Kürze das Lokal "Shiki".

Foto: Peter Rigaud

Wenn das "Shiki" in einer guten Woche in der Krugerstraße den Probebetrieb aufnimmt, dann wird ein stiller Mann mit scharf geschnittenem Gesicht am Tisch beim Kücheneingang sitzen, mit einem Glas Burgunder in der Hand, und sich freuen. Der Mann mag aussehen wie ein Samurai aus einem Film von Akira Kurosawa, doch er ist Wirt.

Dabei hätte sich Joji Hattori diese Karrierewende noch vor wenigen Jahren nicht in den wildesten Träumen vorstellen können. Schließlich ist der Mann ein gefeierter Violinist und Dirigent, der im zarten Alter von sieben Jahren im japanischen Fernsehen als Geigen-Wunderkind herumgereicht wurde, und obendrein Spross einer der einflussreichsten Familien Japans. "Ich esse einfach für mein Leben gern", meint Hattori auf die Frage, wie es dazu kam.

Er kocht auch verdammt gut, wie Freunde und Kollegen aus der Schulzeit im Theresianum bezeugen. Aber schön der Reihe nach. Hattoris Urgroßvater war Gründer der Uhrenfirma Seiko, die bis in die 1980er-Jahre den Weltmarkt beherrschte, mittlerweile wegen "tragischer Managementfehler" aber auf ein Sechstel der damaligen Größe geschrumpft ist. Die Familie zog bereits in den 1970er-Jahren nach Wien, wo Hattoris Mutter, selbst Geigerin, studiert hatte und die Söhne im "musikalischen Klima" Wiens aufwachsen sollten.

Ehrgeiz

Joji ist ein frühreifes, hochbegabtes und, so Hattori, "dementsprechend altkluges Kind", das mit Alfred Staar einen Wiener Philharmoniker als Lehrer zur Seite gestellt bekommt, später folgt mit Rainer Küchl der nunmehrige erste Konzertmeister des Welt-Orchesters in dieser Funktion. Mit 20 gewinnt Hattori den von Yehudi Menuhin ins Leben gerufenen, gleichnamigen Wettbewerb. Heute, gut 25 Jahre später, hat Hattori mehrfach an der Staatsoper dirigiert. Er ist ständiger Gastdirigent des Wiener Kammerorchesters, dessen nächstes Konzert am 28. 1. im Mozart-Saal des Konzerthauses steigt, sowie Co-Intendant und erster Gastdirigent des balearischen Symphonieorchesters. Am 17. März wird er in Palma de Mallorca ein Galakonzert mit Wagner-Tenor Johan Botha dirigieren.

Irgendwie ist das Hattori aber nicht genug. Wenn es nach dem bekennend ehrgeizigen Dirigenten ginge, wäre er längst woanders - an den ersten Konzerthäusern der Welt. "Aber die klassische Musik ist nach wie vor sehr europazentriert", sagt er. "Da geht es mir wie Rico Rassbach, einem der Sous-Chefs im Shiki: Der Mann ist Sushi-Meister, aber Deutscher. Dem wird man im Zweifel auch nie abnehmen, dass er seine Kunst so gut beherrscht wie ein Japaner."

Also ist der Entschluss, jetzt ein Restaurant zu eröffnen, auch eine Konsequenz dieser Enttäuschung? Hattori lächelt und sagt: "Keineswegs." Schließlich werde er auch weiterhin dirigieren, Musik sei sein Leben, in Wahrheit gehe es aber um etwas anderes: "Ich bin Japaner und Österreicher zu gleichen Teilen. Geboren in Tokio, groß geworden in Wien. Als Musiker habe ich bislang nur meine österreichische Seite entwickeln und pflegen können - Japaner sind nicht gut im Auf-der-Bühne-Stehen."

Zeitgenössisch

Mit dem Restaurant wolle er nunmehr seine japanische Seite stärken - und gleichzeitig Wien ein richtig scharfes japanisches Restaurant zeitgenössischen Zuschnitts schenken. Den Küchenchef Takumi Murase hat Hattori der in New York beheimateten Luxusjapaner-Kette Megu abgeworben, er war zuvor als Executive Chef in New York und Gstaad engagiert.

Dazu kommen der erwähnte Sushi-Meister Rico Rassbach (zuvor ebenfalls Megu) und mit Alois Traint ein Österreicher, der in Wiener Traditionshäusern wie dem Schwarzen Kameel, dem Vestibül oder dem Restaurant Bauer in verantwortlicher Position gekocht hat. Diese Art von geballter Kompetenz ist in unseren Breiten für ein japanisches Restaurant bislang einzigartig.

Aber auch sonst wurde nicht mit dem Sparstift geplant: Die Gestaltung hat das Büro BEHF über, das in Wien mit dem Fabios, dem Kussmaul oder dem Motto am Fluss einige der exklusivsten Adressen des vergangenen Jahrzehnts gestaltet hat. Restaurantleiter Martin Pichlmaier war zuvor in derselben Funktion im Fabios tätig.

Der Dirigent auf der Baustelle: In zwei Wochen soll Joji Hattoris "Shiki" (zu Deutsch: Vier Jahreszeiten) in der Krugerstraße eröffnen.
Foto: Peter Rigaud

Oberstküchenmeister bei Hof

"Ich habe eine ausgeprägt kulinarische DNA", sagt Hattori, "ein Urgroßvater war nach seiner Karriere als Diplomat der Oberstküchenmeister am kaiserlichen Hof. Seine letzte Aufgabe vor der Pensionierung bestand in der Ausrichtung des Krönungs-Diners für Kaiser Hirohito." In der Familie war dieser Einfluss freilich lange verschüttet, die Mutter nur selten in der Küche anzutreffen. So habe die Familie das Abendmahl "mindestens dreimal die Woche" im Café des Hotel Imperial eingenommen.

"Das Shiki wird kein traditionelles japanisches Restaurant", sagt Hattori, "schon allein, weil sich Spitzenköche in Japan immer nur einer Küchenrichtung widmen." Im Shiki aber wird es, wie in westlichen Trendjapanern à la Nobu oder Megu üblich, Sushi neben Tempura neben Grillgerichten geben, zeitgemäß variiert und mit europäischen Elementen kombiniert - darüber hinaus sollen aber vegane und vegetarische Speisen forciert werden.

Hattori will so auf neue Ernährungstrends eingehen, vor allem aber eine im Westen bislang vernachlässigte Form der japanischen Hochküche vorstellen: "Buddhistische Mönche sind seit jeher verpflichtet, sich völlig ohne tierische Produkte zu ernähren", erklärt Hattori, "daraus ist eine Seitenlinie der japanischen Küche entstanden, wo es eine faszinierende Fülle hoch elaborierter, veganer Speisen zu entdecken gibt." In Tokio widmet sich etwa der rein vegane Zweisterner Daigo dieser Küchenlinie.

Japanische Klos

Alles andere als traditionell ist auch, dass Hattori neben Stäbchen stets Messer und Gabel auflegen lässt ("Um zu vermeiden, dass jemand extra danach fragen muss"). Oder, dass man japanische Elemente abseits von dem, was auf den Teller kommt, im Shiki vergeblich suchen wird: "keine Tatami-Räume, keine Papierwände, keine Kimonos".

Worauf Hattori aber bestanden hat, sind original japanische WCs mit elektrischen Klodeckeln in sehr weitläufig gestalteten Toiletten: "Da sind die Japaner dem Rest der Welt ein Stück voraus. Deswegen habe ich akribisch darauf geachtet, dass die Gestaltung dieses Teils des Restaurants meinen Ansprüchen genügt", sagt Hattori mit diebischem Vergnügen. Die Türen sind so angeschlagen, dass sie sich nach dem Händewaschen ohne Berührung der Türgriffe aufdrücken lassen - ein Detail, das "viel zu oft übersehen wird". Außerdem wird man in der Eröffnungsphase am Klo (und nur dort) den CD-Aufnahmen Hattoris lauschen, die er als Geiger eingespielt hat.

Shiki hat im Japanischen mehrere Bedeutungen, lässt sich einerseits mit "Vier Jahreszeiten" übersetzen, aber auch mit "Dirigieren". Für den Restaurateur gewordenen Dirigenten Hattori ist das natürlich eine mehr als glückliche Fügung: "Ich wollte nicht weniger als das für mich ideale Restaurant schaffen, mit japanischem Essen, europäischer Servicekultur, intimem Ambiente - und richtig guten Burgundern."

Der Probebetrieb beginnt mit 3. Februar - um zu unterstreichen, dass die volle Leistung erst mit der offiziellen Eröffnung erwartet werden darf, wird das Shiki in den ersten zwei Wochen zehn Prozent vom Preis der Speisen abziehen. (Severin Corti, Rondo, DER STANDARD, 23.1.2015)