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Laurent Sourisseau, Künstlername "Riss", soll "Charlie Hebdo" künftig leiten.

Foto: EPA/FREDERIC CHARMEUX

Der 7. Jänner 2015 wird eine Zäsur im Leben von Laurent Sourisseau bleiben. Er saß gerade in der Pariser Rue Nicolas-Appert mit seinen Kollegen in der wöchentlichen Konferenz des Satiremagazins "Charlie Hebdo", als die Redaktion überfallen wurde und Schüsse fielen.

Wenige Minuten später waren zwölf Menschen tot, rund 20 überlebten teilweise schwer verletzt – unter ihnen der 48-jährige Zeichner, den man in Frankreich fast nur als "Riss" kennt.

Zeichnungen eines Schwerverletzten

Als trotz des Anschlags zweier Islamisten eine Woche später die "Ausgabe der Überlebenden" erschien, hatte auch Sourisseau seinen Beitrag dazu geleistet – vom Krankenbett aus. Wegen einer Schusswunde an der rechten Schulter zeichnete er zwei Cartoons eben mit der linken Hand.

Eines der Sujets: ein Zeichner, der 25 Jahre braucht, um ein Œuvre aufzubauen – und ein Terrorist, der all das in 25 Sekunden zunichtemacht. Die Linienführung etwas wackeliger als sonst, doch im Stil bissig und direkt wie eh und je.

Zeichen der Kontinuität und der Unerschrockenheit

Dass Sourisseau nun die Redaktionsleitung vom getöteten Stéphane Charbonnier, genannt "Charb", übernehmen soll, will die Redaktion als Zeichen der Kontinuität und der Unerschrockenheit verstanden wissen. Es ist aber auch eine logische Entscheidung: "Riss" war bei "Charlie Hebdo" schon seit Jahren in maßgeblicher Position tätig, zuletzt sogar als Stellvertreter von Charbonnier.

1966 in Melun nahe Paris geboren, publizierte Sourisseau nach seinem Jus-Studium 1991 seine ersten Arbeiten als Karikaturist im Magazin "La Grosse Bertha". Doch schon 1992 war er bei "Charlie Hebdo" mit an Bord, als das Magazin erstmals nach elfjähriger Unterbrechung wieder erschienen ist. Diese Redaktion bezeichnete der unverheiratete "Riss" fortan als seine "Familie".

Verlagsgründung 2008

2008 gründete die Zeitschrift ihren eigenen Verlag: Les Échappés (Die Ausreißer). Unter der Ägide von Sourisseau entstanden bisher rund 60 Sammelbände sowie thematische Schwerpunktausgaben, die die Publikationspalette von "Charlie Hebdo" entscheidend erweiterten.

Sourisseaus Entlassung aus dem Spital wurde am Wochenanfang erwartet; und nach einer zweiwöchigen Erholungspause soll "Charlie Hebdo" dann wieder regelmäßig erscheinen – unter der Leitung von Sourisseau. Der hatte sich schon einmal als Stehaufmännchen profiliert: Nach einem Brandanschlag auf die Redaktion 2011 gehörte er schon damals zu jenen, die sich keinesfalls einschüchtern lassen wollten. (Gianluca Wallisch, DER STANDARD, 21.1.2015)