Bild nicht mehr verfügbar.

In Österreich wachsen die Einkommen aus Vermögen seit Jahren stärker als die Einkommen von unselbstständig Erwerbstätigen.

Foto: Jörg Carstensen/dpa/APA

Wien - Wer in Österreich ein Einkommen aus Unternehmens- oder Vermögenserträgen bezieht, ist deutlich besser dran, als wenn er oder sie das Einkommen aus Arbeit erwirtschaften muss. Denn die unselbstständig Beschäftigten bekommen im Langfristvergleich "einen laufend geringeren Anteil vom Bruttoinlandsprodukt", heißt es im neuen, am Dienstag vorgelegten Sozialbericht 2013–2014. In anderen Worten: Die Vermögens- und Unternehmenseinkommen sind deutlich stärker gewachsen als die Arbeitseinkommen.

In dem alle zwei Jahre erscheinenden Kompendium ist zu erfahren, dass dieser Rückgang der Lohnquote, also der Anteil der Löhne am Volkseinkommen, in Österreich "stärker als in den meisten europäischen Ländern" war.

Obwohl die Zahl der unselbstständig Erwerbstätigen kontinuierlich gestiegen ist, haben die Entgelte, die diese Arbeitnehmer dafür bekommen haben, "in den letzten Jahrzehnten schwächer zugenommen als Nicht-Lohn-Einkommen", also Erträge aus Vermögen und Unternehmen. Die "bereinigte" Lohnquote ist zwischen 1990 und 2007 um 7,6 Prozentpunkte auf 66,2 Prozent gesunken. Weil der Anteil der Vermögenseinkommen durch die Wirtschaftskrise aber auch zurückging, ist die Lohnquote derzeit wieder auf 70,1 Prozent angestiegen.

Der Staat nascht auch noch mit

Durch die "steigende Abgabenbelastung (Lohnsteuer, Sozialbeiträge) der Lohneinkommen", wie es im Bericht des Sozialministeriums heißt, "sinkt die Nettolohnquote in einem noch deutlich höheren Ausmaß als die Bruttolohnquote". Sie betrug 2012 nur noch 61 Prozent.

Aber auch zwischen den unselbstständig Erwerbstätigen wird die Einkommensverteilung laut Bericht zunehmend ungleicher. Die obersten 20 Prozent der Lohneinkommensbezieher bekommen fast die Hälfte aller Lohneinkommen, die untersten 20 Prozent kommen insgesamt nur auf zwei Prozent.

Das bestverdienende Fünftel konnte seinen Anteil am Einkommen seit 1995 von 44 Prozent auf 48 Prozent steigern. Während der Einkommensanteil der unteren 40 Prozent der Einkommensbezieher im selben Zeitraum von knapp 14 Prozent auf rund elf Prozent gefallen ist.

Der Gini-Koeffizient (bei 0 herrscht absolute Gleichverteilung, bei 1 erhält einer alles) bei den Arbeitnehmereinkommen ist von 0,448 im Jahr 2008 auf 0,456 im Jahr 2012 angestiegen. Deutlich weniger ungleich als die Personeneinkommen sind allerdings die Haushaltseinkommen verteilt: Hier lag der Gini-Koeffizient 2008 bei 0,329 und stieg bis 2011 auf 0,345. Dementsprechend ist auch der Anteil der ärmeren Haushalte am Gesamteinkommen gesunken (von 9,2 auf 8,1 Prozent), jener des einkommensstärksten Fünftels aber gestiegen (von 36,2 auf 37,3 Prozent).

Teilzeit macht ungleicher

Ein Grund für die steigende Ungleichheit zwischen niedrigen und höheren Einkommen ist laut Sozialbericht die "Zunahme atypischer Beschäftigungsverhältnisse, vor allem der Anstieg der Teilzeitarbeitsplätze". Deren Anteil betrug 2013 insgesamt 29 Prozent. Fast die Hälfte (47 Prozent) aller unselbstständig erwerbstätigen Frauen arbeiten nur Teilzeit. Das schlägt sich natürlich im Gehalt nieder, denn im Durchschnitt kann mit Teilzeitarbeit nicht einmal ein Drittel (30 Prozent) des Lohnniveaus von Vollzeitjobs erreicht werden.

Unabhängig von der Teilzeitquote wurden die Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern in Österreich zwar "etwas reduziert, sind aber nach wie vor hoch", urteilt der Bericht: "Vollzeitbeschäftigte Arbeiterinnen erreichen 70 Prozent der Einkommen von Arbeitern, angestellte vollzeitbeschäftigte Frauen 63 Prozent der angestellten Männer. Einzig beamtete Frauen erreichen 96 Prozent der entsprechenden Männereinkommen."

Wenn der Job nicht zum Leben reicht

Eine besondere Rolle spielen staatliche Transferleistungen bei der Verminderung der Einkommensungleichheit. Ein längerfristiger Vergleich zeigt, dass – außer in den 20 Prozent einkommensstärksten Haushalten – die quantitative Bedeutung des Arbeitseinkommens "deutlich zurückgeht". Die Haushalte des untersten Einkommensfünftels lukrieren nicht einmal ein Drittel (30 Prozent) ihres verfügbaren Haushaltseinkommens aus Erwerbstätigkeit. "Pensionen, Arbeitslosengeld und Leistungen gegen soziale Ausgrenzung gewinnen für das Haushaltseinkommen zunehmend an Bedeutung", so der Sozialbericht.

40 Prozent des Einkommens für Wohnung

Dass mit der Einkommenssituation die Lebensbedingungen eng zusammenhängen, liegt auf der Hand. Niedrigeinkommenshaushalte werden am stärksten durch Ausgaben für Wohnen belastet, 39 Prozent aus dieser Gruppe geben mehr als 40 Prozent für Wohnen und Energie aus. Jede und jeder Zweite mit niedrigem Einkommen gibt an, bei unerwarteten Ausgaben, die 1.050 Euro übersteigen, "größere finanzielle Einschränkungen" zu erleben.

Insgesamt legten 2013 42 Prozent der Wohnbevölkerung in verschuldeten Haushalten, hatten also Verbindlichkeiten für Wohnraum oder Konsumkredite. Außerdem lässt sich ein Zusammenhang zwischen Sozialstatus und Nicht-Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen, vor allem für zahnmedizinische Behandlungen, beobachten: 2013 nahmen vier Prozent der Personen mit maximal Pflichtschulabschluss eine solche Leistung beim Zahnarzt nicht in Anspruch, doppelt so viele wie bei Akademikern.

Umgekehrt verhält es sich wiederum bei der Inanspruchnahme von Kinderbetreuung: 2013 lag da der Anteil der betreuten Kinder unter sieben Jahren aus Haushalten mit hohem Einkommen mit 38 Prozent unter jenem von Kindern aus Haushalten mit niedrigem Einkommen (42 Prozent).

Erfolge im Kampf gegen Armut

Während in Europa insgesamt die Armut im Steigen ist, weist der Sozialbericht für Österreich für 2013 zwar nach EU-Definition rund 1,2 Millionen Österreicherinnen und Österreicher als "armutsgefährdet" aus, allerdings wurde laut Sozialministerium "etwa die Hälfte der angestrebten Reduktion von Armutsgefährdung realisiert". Das heißt: Im Vergleich zu 2008 konnte die Zahl der "armuts- oder ausgrenzungsgefährdeten" Menschen um 127.000 reduziert werden (2008: 20,6 Prozent, 2013: 18,8 Prozent). Tatsächlich arm (von "erheblicher materieller Deprivation" betroffen) sind 4,2 Prozent der Bevölkerung, also rund 355.000 Personen.

Hundstorfer will niedrige Einkommen entlasten

Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ), dessen Ressort für den Bericht zuständig ist, leitet aus den Ergebnissen einen "Handlungsbedarf bei der Einkommensentwicklung" ab und plädiert dementsprechend für eine Steuerreform, von der "die niedrigen Einkommen spürbar profitieren müssen".

Er betonte aber auch: "Österreich hat die Krise im Vergleich besser gemeistert." Das sei "sowohl auf wirtschafts-, fiskal- und beschäftigungspolitische Maßnahmen als auch wohlfahrtsstaatliche Strukturen und die Sozialausgaben als konjunkturstabilisierende Faktoren zurückzuführen".

Die Sozialquote, also der Anteil der Sozialausgaben am BIP, lag 2013 bei 29,6 Prozent (2012: 29,2 Prozent) und wurde zum Großteil für Pensionen und Gesundheitsversorgung ausgegeben. Mehr als zwei Drittel davon (70 Prozent) wurden als Geldleistung ausgeschüttet, knapp ein Drittel (30 Prozent) in Form von Betreuungs- und Sachleistungen zur Verfügung gestellt. (Lisa Nimmervoll, derStandard.at, 21.1.2015)