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Investoren warten gespannt auf die Entscheidung der Notenbanker in Frankfurt.

Foto: apa/roessler

Wann immer die Entscheidungsträger der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt zusammenkommen, folgen sie einem strikten Ritual. Die Treffen der Banker beginnen mit einem Dinner am Mittwochabend. Dort werden schon einmal die anstehenden Entscheidungen im Euroraum besprochen, die dann tags darauf fixiert werden. Bei den Diskussionen mit EZB-Chef Mario Draghi diese Woche wird ein Mann eine besondere Rolle spielen: Hannes Bogner.

Der Manager Bogner trifft bei der Uniqa die Investmententscheidungen. Er bestimmt, wie der Versicherer aus Österreich sein Geld anlegt. Der Italiener Draghi kennt den Österreicher Bogner vermutlich nicht. Aber er muss ihn von seinem Plan überzeugen. Die EZB diskutiert, ob sie eine ihrer bisher unkonventionellsten Maßnahmen starten soll. Sie erwägt, Staatsanleihen von Euroländern zu erwerben. Es geht um mehrere hundert Milliarden Euro für ein Programm, das Experten Quantitative Easing (QE) nennen. Viele Analysten erwarten schon am Donnerstag eine Entscheidung in Frankfurt.

Das Ziel Draghis ist es, mit QE die Inflation auf den angepeilten Wert von knapp zwei Prozent zu heben. Damit soll eine Deflation verhindert werden. Aber wie kann das gehen, und welche Rolle spielt dabei der Manager Bogner?

Zunächst zur Ausgangslage

  • Wenn die Wirtschaft eines Landes nicht mehr wächst, ist der Leitzinssatz der Notenbank ein wichtiges Instrument, um gegenzusteuern. Sinkt der Zins, wird Kapital billiger. Damit soll die Kreditvergabe der Banken an Firmen beflügelt werden. Das belebt die Konjunktur. Doch der EZB-Leitzins steht aktuell bei 0,05 Prozent. Tiefer geht nicht mehr.
  • Die Wirtschaft in der Eurozone wächst aber nicht, und die Kreditvergabe springt nicht an. Die Gefahr einer Deflation steigt: Dabei fallen die Preise, weil die Nachfrage schwach ist. Weil alle glauben, dass die Preise weiter fallen werden, gibt niemand mehr Geld aus. Es droht eine Deflationsspirale.
  • In dieser Situation können die Notenbanken auf QE zurückgreifen. Dabei kaufen sie mit von ihnen erschaffenem Geld privaten Investoren Staatsanleihen ab. Durch die große Nachfrage lässt sich mit Anleihen weniger Geld verdienen. Die Kurse der Papiere steigen, und ihre Rendite sinkt.

Die Folgen sind zumindest in der Theorie weitreichend

  • Die Investoren verkaufen ihre Staatsanleihen. Mit dem frischen Geld der EZB in der Tasche sollen sie andere Wertpapiere, Aktien und Firmenanleihen, kaufen. Sie sollen in Immobilien und Infrastruktur investieren. Was geschieht, wenn viel Geld in Umlauf ist, aber nur eine begrenzte Menge an Wertpapieren? Die Preise ziehen an. Wenn die Investoren ihre Anleihen verkaufen, steigen vorläufig auch ihre Bankguthaben. Das soll den Banken dabei helfen, mehr Kredite zu vergeben.
  • Glauben die Investoren, dass die EZB für einen Preisauftrieb sorgt, beginnen sie sich gleich so zu verhalten. Die Gefahr einer Deflationsspirale sinkt also.

Die große Frage ist, ob die EZB mit ihrem Programm Erfolg haben kann. Schließlich geht die Zentralbank auch Risiken ein, wenn sie in Anleihen von Ländern wie Spanien und Italien investiert.

Historisch gibt es Belege, dass QE wirkt. Ein gutes Beispiel ist jenes aus Großbritannien. Die britische Zentralbank (BoE) hat 2009 und Anfang 2010 britische Staatsanleihen im Wert von 200 Milliarden Pfund (261 Milliarden Euro) gekauft. Mehrere Studien haben gezeigt, dass die Aktion erfolgreich war. Die Inflation in Großbritannien soll um 1,25 Prozentpunkte nach oben gedrückt worden sein. Die Wirtschaftsleistung stieg um 1,5 Prozentpunkte, heißt es in einer Analyse von Ökonomen der BoE.

Noch Überzeugungsarbeit

Interessant ist, dass die Experten im erwähnten Papier schreiben, dass in England Pensionsfonds und Versicherungen die entscheidende Rolle gespielt haben. Banken haben auf das Kaufprogramm der Zentralbank kaum reagiert. Aber Fonds und Versicherer haben wie gehofft ihre Portfolios umgeschichtet und damit der Aktion zum Erfolg verholfen.

Was also denken die Manager in der Eurozone? Umfragen existieren nicht. Bogner von der Uniqa ist skeptisch: "Ich erwarte keine große Änderung der Anlegerstrategie bei Versicherungen", sagt er. Die Branche müsse darauf achten, in sichere Produkte zu investieren. Strengere Vorschriften beim Eigenkapital schränken die Möglichkeiten der Versicherer ein. Einen Exodus aus Staatsanleihen erwartet Bogner nicht. Alternative Investments seien auch wegen der fehlenden Nachfrage von Firmen rar. Draghi hat noch eine Menge Überzeugungsarbeit vor sich. (András Szigetvari, DER STANDARD, 22.1.2015)