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Alexis Tsipras, Chef der linken Syriza, lässt sich bereits als nächster Regierungschef feiern.

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Hoffnung ist auf dem Weg, so heißt es. Der Slogan findet sich an Bushaltestellen in Athen und an Info-Buden auf den Straßen; ein wenig verspielt in kunterbunten Buchstaben und mit dem Logo der Partei: drei Fahnen, rot, grün, lila, darüber ein kleiner goldener Stern. Immer noch ein ungewohnter Anblick.

"Wir haben es wirklich versucht", sagt die Zahnärztin, während sie ihr Bohrbesteck wegräumt. "Wir wollten, dass es funktioniert. Es sind doch auch viel weniger Menschen auf die Straßen gegangen, um zu demonstrieren. Viel weniger, als es hätten sein müssen", sagt die Ärztin in Abelokipi, einem großen Stadtteil im Zentrum Athens. Das Fußballstadion von Panathinaikos ist hier und die wütende Mittelklasse.

Nach fünf Jahren Sparkurs und Verarmung wollen die Griechen Hoffnung sehen. Syriza, die Koalition der Radikalen Linken mit den drei Fahnen und dem Stern, reitet auf einer Welle der Unterstützung. Alexis Tsipras, der gutaussehende Volkstribun, lässt sich schon als der nächste Regierungschef feiern. Sonntagnacht, nach Schließung der Wahllokale, soll es so weit sein. "Einige haben zu Recht Angst", sagt Tsipras an einem dieser Abende in einem Fernsehinterview. "Wissen Sie, wer? Die Steuerhinterzieher und Gesetzlosen, die mit den hohen Einkommen." Syriza werde keine Steuern erhöhen, sondern die Steuerbasis ausweiten, kündigt der Parteichef an. Die Reichen sollen keine Schlupflöcher mehr finden, meint Tsipras damit.

Historischer Machtwechsel

Anfang dieser Woche ist es, da spüren die Parteileute der Nea Dimokratia, dass es vorbei ist. Die Aufholjagd ist gescheitert, die drei Prozentpunkte Abstand zu den Linken bleiben, die Umfragen sagen es. Sie beginnen sogar, einen noch deutlicheren Sieg vorauszusagen: vier oder gar sechseinhalb Prozent mehr. Syriza wird als stärkste Partei den 50-Sitze-Bonus im Parlament bekommen, knapp an der absoluten Mehrheit sein. Die großen meinungsführenden Zeitungen Griechenlands, die konservative "Kathimerini" und die liberale "Ta Nea", sind schon umgeschwenkt. Der historische Machtwechsel hin zur Linken sei das wahrscheinliche Szenario, so heißt es nun.

Antonis Samaras aber kämpft weiter. Sein blaues Wahlzelt auf dem Syntagma-Platz vor dem Parlament in Athen ist kleiner als jenes von Syriza, ein paar Hundert Meter weiter an der Stadiou-Straße. Die Warnungen und Schreckbilder, mit denen der konservative griechische Premier Stimmen sammelt, sind es nicht. Syriza wolle einen Regierungschef wie in Nordkorea installieren, behauptet Samaras. Syriza wolle eine "Parteiarmee" bilden, ihre Hand auf die Bankkonten der Griechen legen, die Wirtschaft umbringen.

Krise offenbar bewältigt

Griechenland ist aus der Rezession, technisch zumindest - und die Arbeitslosigkeit ist sogar ein klein wenig gefallen. Die Griechen sollen die mit so vielen Opfern erreichte Konsolidierung jetzt nicht einfach wegwerfen, ist Samaras' zentrale Botschaft. Doch es sieht nicht so aus, als ob sie von der Mehrheit ernst genommen würde.

"Soll Tsipras doch regieren", sagt Vassilis, ein städtischer Beamter. "In zwei, drei Monaten wird er stürzen. Es ist gut, dass diese Wahlen nun die politische Situation klären."

Gut möglich, dass alles auch nur komplizierter wird. In einer Seitenstraße in Abelokipi liegt das Büro von To Potami, der neuen Bürgerpartei. Auch hier findet sich die Mittelklasse ein, frustriert über den Sparkurs, der nicht endet, und den verknöcherten Staatsapparat, der scheinbar unantastbar ist. To Potami, der Fluss, wird wohl mit Syriza regieren. Erfahrung haben beide nicht. (Markus Bernath aus Athen, DER STANDARD, 23.1.2015)