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Der Auschwitz-Überlebende Igor Malicki aus der Ukraine ist einer von rund 300 Überlebenden, die beim Gedenken an die Befreiung vor 70 Jahren dabei sein werden. Sie sollen im Zentrum der Veranstaltung stehen, Politiker werden schweigen.

Foto: Reuters/Balogh

Rund 300 Holocaust-Überlebende aus aller Welt haben sich angesagt. Sie wollten am heutigen Dienstag am Gedenken an die Befreiung des Nazi-Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau teilnehmen. "Am 70. Jahrestag sollen die Überlebenden im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen. Sie werden reden, und wir werden ihnen sehr genau zuhören", erklärt Piotr Cywinski, der Direktor der Gedenkstätte.

Dass Staatsoberhäupter und Premierminister keine gesonderte Einladung erhielten, sondern lediglich eine diplomatische Anfrage, ob sie eventuell ebenfalls teilnehmen wollten, fand nur einer beleidigend: Wladimir Putin, der Präsident Russlands.

Auf allen verfügbaren Kanälen schrieben dann die Kreml-Medien, dass die Rote Armee 1945 Auschwitz und ganz Polen von den Nazis befreit habe, nun aber die Regierung in Warschau nicht einmal den Präsidenten Russlands zu den Gedenkfeiern einlade. Während die Nachkommen der Täter und Kollaborateure in Polen willkommen seien, schlüge den Befreiern von 1945 nun Verachtung entgegen. Schuld an Putins Nichterscheinen sei Polen.

Konkurrenz-Gedenken

Dass im Kreml durchaus eine offizielle Einladung zum Holocaust-Gedenktag eingegangen war - allerdings aus der tschechischen Hauptstadt Prag -, verschwieg man in Moskau wohlweislich. Denn in Prag wäre Putin ein durchaus gerngesehener Gast, zumindest von den gerade regierenden Politikern. Dort könnte er sich auch in einer furiosen Rede zum "Nie wieder" bekennen.

In der jüdischen Gemeinde Prags fanden allerdings viele die Idee einer politischen Gegenveranstaltung zum Opfergedenken in Polen zumindest äußerst unangemessen. Doch der Versuch, die tschechische Einladung an Putin in letzter Minute noch zu verhindern, schlug fehl. Auch andere Politiker, die die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs vertreten sollten, bekamen eine Einladung aus Prag. Alles sah danach aus, als würde die Politik-Veranstaltung in Prag zu einem diplomatischen Flop werden.

Lawrow: Kampf gegen Faschismus lässt nach

Nachdem die Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau bekanntgab, dass Staatsoberhäupter und Regierungschefs aus knapp 40 Ländern, darunter auch Bundespräsident Heinz Fischer und Bundeskanzler Werner Faymann, nach Polen kommen wollten, änderte der Kreml seine Politik: Die Delegation wurde aufgewertet. Zwar wollte Putin nach wie vor an der Gedenkfeier nicht teilnehmen, doch nun sollte neben dem Botschafter auch Putins Präsidialamtschef Sergej Iwanow anreisen.

Doch die Kontroverse geht weiter: Russlands Außenminister Sergej Lawrow nutzte die Absage Putins, um nicht nur Polen die Schuld in die Schuhe zu schieben, sondern auch gleich dem Westen vorzuwerfen, in den letzten Jahren im Kampf gegen faschistisches Gedankengut nachzulassen. Christoph Heubner vom Internationalen Auschwitz-Komitee erklärte dagegen, dass in der Roten Armee auch ukrainische und weißrussische Soldaten gekämpft hätten. Putin habe kein Monopol darauf, für die Befreier zu sprechen.

Tatsächlich wurde am 27. Jänner 1945 das deutsche Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau von der "Ersten Ukrainischen Front" der Roten Armee befreit. Das Tor öffnete Anatoli Schapiro, ein ukrainischer Jude. (Gabriele Lesser aus Warschau, DER STANDARD, 27.1.2015)