Moskau - Auf der von Russland annektierten Schwarzmeerhalbinsel Krim haben russische Polizisten nach Angaben eines Fernsehsenders für die Minderheit der Tataren am Montag die Räume der Sendeanstalt durchsucht. Dutzende vermummte Polizisten beschlagnahmten demnach in der Zentrale des Senders ATR in der Gebietshauptstadt Simferopol Server und andere Geräte.

"Das ist die erste derartige Razzia", sagte die stellvertretende ATR-Generaldirektorin Lilja Budschurowa, die auch als freie Mitarbeiterin für die Nachrichtenagentur AFP tätig ist. Die regionale Ermittlungsbehörde teilte mit, die Polizeiaktion stehe im Zusammenhang mit dem Tod zweier russischer Aktivisten, die im vergangenen Februar während einer proukrainischen Kundgebung vor dem örtlichen Parlament zu Tode geprügelt wurden.

Der Chef der traditionellen Tatarenversammlung (Medschlis), Refat Tschubarow, erklärte, die Razzia sei lediglich ein Vorwand für die Knebelung des Senders. Die "Besatzungsbehörden" könnten sich nicht damit abfinden, dass Journalisten auf der Halbinsel sich nicht einschüchtern ließen und weiterhin kritisch berichteten.

Von den rund zwei Millionen Bewohnern der Krim sind etwa 300.000 Angehörige der tatarischen Minderheit, eines überwiegend muslimischen Turkvolks. Die Eingliederung der früher als Teil der Sowjetukraine zur UdSSR gehörenden Krim in die Russische Föderation lehnen die Tataren aufgrund ihrer historischen Erfahrung überwiegend ab. Den umstrittenen Volksentscheid Mitte März vergangenen Jahres, bei dem es eine überwältigende Mehrheit für den Anschluss an Russland gab, boykottierten sehr viele Tataren.

Unter dem sowjetischen Diktator Josef Stalin wurden die Tataren als "Nazi-Kollaborateure" verfolgt und zwangsumgesiedelt. Erst zum Ende der Sowjetunion durften sie in ihre Heimat zurückkehren. Im vergangenen April unterzeichnete der russische Staatschef Wladimir Putin ein Dekret zur vollständigen Rehabilitierung der Tataren. (APA, 26.1.2015)