Salzburg – Anlässlich des 70. Jahrestags der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz trafen sich am Dienstag rund 100 Menschen zu einer Gedenkfeier beim Antifaschistischen Mahnmal in Salzburg. Dort wurden elf weitere Stolpersteine verlegt, die an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern sollen. Gleichzeitig hatten sich im Salzburger Landesgericht die zwei jungen Männer zu verantworten, die zwischen Februar 2013 und Oktober 2014 ebensolche Gedenksteine beschmiert haben sollen.
Die Staatsanwaltschaft Salzburg wirft dem 22-Jährigen und dem 21-Jährigen nationalsozialistisch motivierte Sachbeschädigung in 136 Fällen vor. Dem 22-Jährigen drohen zwischen zehn und 20 Jahre Haft, seinem ein Jahr jüngeren Komplizen fünf bis 20 Jahre. Eine 17-Jährige und eine 20-Jährige, die Lebensgefährtin des 22-Jährigen, sind ebenso angeklagt, weil sie bei einigen Taten dabei gewesen und Schmiere gestanden sein sollen.
Die beiden Männer lernten einander 2012 in der Odins Bar, einem bekannten rechtsradikalen Treff in Salzburg kennen. Dort hätten sie den letzten Neonazi-Schliff bekommen, sagte Staatsanwalt Marcus Neher. Der bereits wegen Wiederbetätigung verurteilte Barbetreiber ist zudem der Cousin des 22-jährigen Angeklagten. Als die Odins Bar im Oktober 2012 geschlossen wurde, hätten die Angeklagten sich genau überlegt, wie sie auf das nationalsozialistische Gedankengut weiter aufmerksam machen könnten, erläuterte Neher.
Leitsatz aus NS-Propaganda aus Odins Bar
Ihre erste Beschmierung brachten sie an einem Gebäude in der Nähe des Hauptbahnhofs an. In Lettern mit über 15 Meter Länge und vier Meter Höhe sollen sie "Blut und Boden" – einen Leitsatz aus der NS-Propaganda – geschrieben haben. Diese NS-Doktrin sei auch in der Odins Bar zu lesen gewesen und zeige, dass die Männer "konsequent in die rechtsextreme Gesinnung hineinerzogen worden sind", sagte Neher. Hinzu kamen zahlreiche Beschmierungen unter den Wortlauten "NS statt US" und "NS yes", wobei das S die Form einer Siegesrune hatte, oder Sprüche wie "Hochkultur statt Multikultur" und "Rechtsblau in jedem Gau".
2013 seien die Männer schließlich auf die Stolpersteine aufmerksam geworden. "Sie schienen ihnen für ihren NS-Aktionismus geradezu prädestiniert", betont Neher. Zuerst hätten sie die Gedenksteine nur mit Edding angeschmiert, später hätten sie die fortwährenden Beschmierungen geradezu zu einer Kunstform ausgebaut und eine Mischung aus Farblack, Kleber und flüssigem Teer über die Stolpersteine gestrichen. In seiner ersten Einvernahme durch die Polizei habe der 22-Jährige auch betont, er fühle sich, als ob er auf "Judengehsteigen" gehen müsse, und "ich hasse Juden, diese Einstellung werde ich so schnell nicht ändern".
"Mindeststrafmaß nicht gerechtfertigt"
Nun soll er seine Einstellung aber geändert haben. Er habe das nationalsozialistische Gedankengut vollständig hinter sich gelassen, und "er hat Pech gehabt, dass er 14 Tage vor seiner Festnahme seinen 21. Geburtstag hatte", betonte seine Verteidigerin Katrin Speiger. Der 22-Jährige bekennt sich schuldig und ist seit Beginn seiner Einvernahmen auch geständig. Seine Verteidigerin wies darauf hin, dass es zahlreiche Milderungsgründe gebe und das Mindeststrafmaß nicht gerechtfertigt sei.
Bei der Befragung durch Richterin Bettina Maxones gab sich der 22-Jährige recht wortkarg. Wer, wann, bei welchen Taten beteiligt war - an das konnte sich der Angeklagte nicht mehr genau erinnern. Nach mehrmaligen Nachfragen blieb er aber bei seinen bisherigen Aussagen vor der Polizei, auf denen auch ein Großteil der Anklage beruht. Gleichzeitig beteuerte der 22-Jährige sich geändert zu haben. Er sei mit Ausländern in einer Zelle gesessen und habe auch in der Arbeit ausländische Freunde gefunden, die ihn geholfen hätten sich umzudrehen.
Richterin: "Es ist immer dasselbe"
Die vorsitzende Richterin fand klare Worte: "Es ist immer dasselbe. Alle Angeklagten wegen Wiederbetätigung behaupten, sie sind weg aus der rechten Szene und haben ausländische Freunde. Haben sie was, das uns überzeugt?" Darauf erklärte der Angeklagte nun bei dem Aussteigerprojekt für Neonazis der Kinder- und Jugendanwaltschaft engagiert zu sein, der Standard berichtete. Gleichzeitig habe er versucht Wiedergutmachung zu leisten. Er wolle etwa den entstandenen Schaden über Arbeitsleistungen oder Ratenzahlungen begleichen.
Auch der 21-Jährige bekenne sich zum überwiegenden Teil der ihm vorgeworfenen Taten schuldig, erklärte sein Verteidiger Lorenz Wolff. Er habe keine tief verwurzelte NS-Gesinnung, sondern sei "ein Jugendlicher, der völlig aus der Spur geraten ist und um Aufmerksamkeit geschrien hat". Derzeit sitzt der 21-Jährige wegen eines Einbruchsdiebstahls erneut in U-Haft. Der 21-Jährige wird erst am Mittwoch von dem Geschworenengericht befragt.
17-Jährige bestreitet Taten
Die 20-jährige Lebensgefährtin des 22-Jährigen bekannte sich ebenso schuldig. Die Tragweite und Bedeutung der Taten seien ihr nicht bewusst gewesen, erklärte ihr Verteidiger Bernhard Galiciani. Zum Zeitpunkt der Taten war sie schwanger. Das gemeinsame Kind der beiden Angeklagten ist bei einer Pflegefamilie untergebracht. Die 17-Jährige bekennt sich als Einzige nicht schuldig und bestreitet, bei den Taten beteiligt gewesen zu sein. Weil die beiden Frauen zur Tatzeit noch jugendlich waren, wird die Geschworenenbank unter anderem mit Personen besetzt, die entweder als Lehrer, Erzieher oder in der Jugendwohlfahrt oder Jugendbetreuung tätig sind.
Der Prozess wird am Mittwoch mit den Einvernahmen des 21-Jährigen und der 17-Jährigen fortgesetzt, danach werden Zeugen geladen. Mit einem Urteil ist am Freitag zu rechnen. (Stefanie Ruep, derStandard.at, 27.1.2015)