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Zerstörung in Bengasi vergangene Woche nach heftigen Kämpfen zwischen Anhängern des Shura Council of Benghazi Revolutionaries (SCBR) und Haftar-Unterstützern.

Foto: REUTERS/Esam Omran Al-Fetori

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Ein Soldat der Regierungstruppen Ende Dezember in Bengasi.

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Oft erfahren Angehörige erst über soziale Netzwerke, dass die Leichen ihrer verschleppten Familienmitglieder am Straßenrand in der und um die libysche Stadt Bengasi abgelegt wurden. Über eine spezielle Seite werden die Bilder der Toten veröffentlicht, die laut Amnesty International oft Folterverletzungen aufweisen. In einem am Mittwoch veröffentlichten Bericht belegt die Menschenrechtsorganisation zum ersten Mal auch mögliche Kriegsverbrechen durch regierungstreue Truppen der "Operation Dignity" unter General Khalifa Haftar.

So würden Kämpfer einer Koalition islamistischer Milizen und bewaffneter Truppen des sogenannten Shura Council of Benghazi Revolutionaries (SCBR) gefangen genommen und anschließend misshandelt oder sogar getötet werden. Das widerspricht laut Amnesty-Researcherin Magdalena Mughrabi den internationalen Gesetzen der Menschenrechte. Vor allem Kämpfer der sogenannten "Nachbarschaftsjugend", die im Oktober 2014 dem Aufruf General Haftars gefolgt und zu den Waffen gegriffen habe, würde den Schutz von Zivilisten nicht respektieren. "Die Verbrechen passieren seit 2011 kontinuierlich von beiden rivalisierenden Gruppierungen", sagt Mughrabi. Durch den Bericht wolle man aber klarmachen, dass unter dem Schutz des Kampfes gegen den Terrorismus auch regierungstreue Truppen gegen Menschenrechte verstoßen.

Gewalt eskaliert

Bengasi droht nun in Chaos und Gesetzlosigkeit zu versinken, sagt Hassiba Hadj Sahraoui, Amnesty-Direktorin für Nordafrika und den Nahen Osten. "Die rivalisierenden Truppen bekämpfen sich gegenseitig, und die Gewalt eskaliert. Die Internationale Gemeinschaft muss deutlich machen, dass alle Kriegsverbrechen untersucht werden und die Verantwortlichen vor Gericht kommen", so Sahraoui.

So sind laut Angaben des Roten Halbmondes allein zwischen Juni und November vergangenen Jahres 260 Menschen in Bengasi verschwunden. Plünderungen, politisch motivierte Morde und Entführungen sind nach wie vor Teil des Alltags. "Die Leute haben große Angst", sagt Mughrabi. Vor allem in einer stammesähnlichen Gemeinschaft, wie es sie in Libyen gibt, würden Nachrichten von Erschießungen schnell die Runde machen.

UN-Sicherheitsrat und Strafgerichtshof sollen handeln

Amnesty International fordert vom UN-Sicherheitsrat, gezielte Sanktionen gegen die Verantwortlichen in Libyen zu verhängen, zum Beispiel Reiseverbote und Konto-Einfrierungen. Zudem soll der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag die Verbrechen in Libyen untersuchen, die seit Februar 2011 begangen worden sind. Bisherige Untersuchungen beschränkten sich auf den Zeitraum des Aufstandes und des bewaffneten Konfliktes 2011, ohne die aktuellen Verbrechen zu berücksichtigen. "Immer wieder sagte die verantwortliche Anklägerin, dass sie nicht ausschließt, die Untersuchungen auszuweiten", so Mughrabi: "Es fehlen aber die Ressourcen, um eine so umfassende Erhebung durchzuführen."

General Haftar und seine Anhänger kämpfen seit längerer Zeit an der Seite der nationalen Armee gegen islamistischen Milizen im Land, darunter auch die Gruppe Ansar al-Sharia. Zuletzt hatten sie Mitte Oktober eine gemeinsame Offensive gestartet, um Bengasi zurückzuerobern. Die Islamisten konnten aber nur aus einigen Stadtteilen vertrieben werden. (bbl, maa, derStandard.at, 28.1.2015)