Einblick in die Werkstätte eines Animationsfilmmeisters: "Kingdom of Dreams and Madness" widmet sich dem Japaner Hayao Miyazaki.

Foto: Filmfestival Rotterdam

Wie man ein Filmfestival in Zeiten des galoppierenden Wandels von Medien und Öffentlichkeiten lebendig hält, dafür war Rotterdam schon immer Gradmesser und Spielplatz: "Exploding Cinema" hieß bereits in den 1990ern eine Reihe, die den traditionellen Kinobegriff und -betrieb erweiterte. Damals wurden etwa Musikvideos und Pixelkunst einbezogen, heuer ist das Logo des Festivals mit einem grafischen Play-Button überschrieben, wie man ihn vom Online-Streamen kennt. Dazu passend klagt im US-Indiefilm Valedictorian einer darüber, dass ihm ein einziges "totes Pixel" oben im Bild den neuen Flachbildfernseher eigentlich ruiniert.

Und abends wird bei der Reihe "Mind the Gap" gleich eine ganze Leinwand abgefackelt: Black Smoking Mirror heißt die Performance der Niederländer Martijn van Boven und Gert-Jan Prins. Dabei wird eine in Cinemascopeformat aufgespannte Oberfläche so lange mit bunt tanzenden Laserstrahlen traktiert, bis sie brennt: Allerdings löst sich dabei nicht wie einst der Filmstreifen auf, sondern die Projektionsfläche selbst (vorsorglich aus Stahlwolle) brutzelt, funkt, flammt auf und verglüht. Auch so geht ein einzigartiges Lichtspielerlebnis.

Die Reihe "Signals: Regained" wiederum belegt bei der laufenden 44. Ausgabe dieser Riesenpublikumsveranstaltung nicht nur mit ausgesuchten Reprisen, was sich dem Kino immer noch alles abgewinnen lässt: Die junge japanische Filmemacherin Mami Sunada, vormals unter anderem Regieassistentin von Hirokazu Kore-eda, hat das Animationsfilmstudio Ghibli in Tokyo aufgesucht, mit dem sich die beiden nunmehrigen Zeichentricklegenden Hayao Miyazaki und Isao Takahata 1985 selbstständig machten. Das kleine mehrstöckige Gebäude mit einem Dachgarten als Ort für Rückzug und Naturstudien, ein Handwerksbetrieb, ist Hauptschauplatz von Yume to kyoki no okoku (Kingdom of Dreams and Madness).

Sunada begleitet darin zum einen den Entstehungsprozess von Miyazakis Wie der Wind sich hebt. Ihr gelingt ein sehr intimes Porträt des Filmemachers und Zeichners: Sie erfasst Details, wie die schon völlig verinnerlichte Routine des schnellen Vor- und Rückblätterns von gezeichneten Einzelbildern, aber auch kleine Skurrilitäten wie den Umstand, dass das Privathaus des Mittsiebzigers auch etliche lebensgroße Ziegenimitate beherbergt, Überbleibsel einer Heidi-Ausstellung (für die TV-Serie zeichnete Miyazaki einst), deren Anblick tagsüber vorbeigehende Kindergartenkinder erfreut.

Nicht zuletzt aber macht Sunada die jahrzehntelange, keineswegs friktionsfreie Arbeitsbeziehung von "Miya-san" und "Paku-san" (Takahata) anschaulich, für die der Produzent Toshio Suzuki als unermüdlicher dritter Mann seit Jahrzehnten unersetzbar ist. Dass Miyazaki sich mit Wie der Wind sich hebt tatsächlich zur Ruhe setzt, das glaubt am Ende der Dokumentation und nach der bewegenden Teampremiere übrigens keiner.

Nach dem Europaschwerpunkt des Vorjahres steht das asiatische Filmschaffen heuer auch sonst wieder stärker im Fokus. In einer Werkschau wird noch bis Samstag der 1971 in Seoul geborene Jang Jin vorgestellt. Während man international Autorenfilmer aus Korea wie Hong Sangsoo oder Kim Ki-duk kennt, ist der Bühnen- und Filmregisseur Jang, der sich zum kommerziellen Kino (und TV) bekennt, bisher vor allem in seiner Heimat populär.

Dabei sind seine Genrefilme, deren Basis laut Jang immer die Komödie bleibt, keine industriellen Fließbandprodukte: Jang verfilmt eigene Stoffe, in denen von einem Ensemble bewährter Schauspielerinnen und Schauspieler verkörperte Figuren und deren Geschichten soziale Typen, politische Verhältnisse und Popkulturphänomene verarbeitet und durchaus derb aufs Korn genommen werden.

Ein Einblick in koreanischen Humor zur rechten Zeit. (Isabella Reicher, DER STANDARD, 28.1.2015)