Wie auch in "Star Wars" und "Star Trek" werden Roboter in 20 Jahren wichtige Rollen erfüllen.

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Es gilt allgemein als wagemutig, für technologische Entwicklungen Prognosen über mehr als ein paar Jahre hinaus anzustellen. Das bezeugen allerlei Fehlvermutungen aus den vergangenen Jahrzehnten. Weder erwies sich elektronische Datenverarbeitung als kurzlebiger "Trend", wie 1957 ein Buchautor von Prentice Hall versicherte, noch gelang der von Bill Gates 2004 vorausgesagte Sieg gegen Spam-Mails in zwei Jahren.

Dem Risiko zum Trotz wagen sich immer wieder Forscher, IT-Größen und Futurologen vor, um uns zu erklären, wie unsere Welt in wenigen Generationen aussehen wird. 20 Jahre ist DER STANDARD nun online und hat in dieser Zeit auch selbst allerlei technologische Fortschritte begleitet – vom "Web 2.0" als Meinungsplattform für alle bis zum Aufbruch in die augmentierte und virtuelle Realität. Worin sich viele Experten einig sind: Was uns in den kommenden zwei Jahrzehnten erwartet, wird den Fortschritt zwischen 1995 und 2015 bei weitem in den Schatten stellen.

Tanzen im Exoskelett

In den 2030er-Jahren werden Menschen mit Neuroimplantaten ihre Fähigkeiten erweitern oder körperliche Schwächen ausmerzen, prognostiziert etwa der Neurowissenschaftler David Eagleman im "Guardian". Einstmals Gelähmte werden sich dank gedankengesteuerter Exoskelette auf der Tanzfläche austoben können. Gleichzeitig werden mühsame Eingabegeräte wie Tastaturen der Vergangenheit angehören, zumal sich Texte kraft der eigenen Hirnwellen viel schneller niederschreiben lassen. Und wer will, kann sich mit einem entsprechenden Implantat digitale Informationsströme direkt an sein Denkorgan schicken lassen.

Möglicherweise, so sinniert Eagleman, haben wir dann auch den Punkt der "Singularität" überschritten und Computer erschaffen, die schlauer sind als wir selbst. Und vielleicht ist dann auch das Rätsel des Bewusstseins gelöst.

Mit Nanomedizin gegen Alzheimer

Glaubt man Richard Jones von der University of Sheffield, steht uns außerdem die Nanorevolution bevor. Die Technologie der kleinen Teilchen und Strukturen könnte zahlreiche Durchbrüche – etwa im Bereich der Solarenergie – bewirken. Viel wichtiger erscheinen aber die Auswirkungen im Bereich der Medizin. Wir werden lernen, wie wir unseren eigenen Körper auf subzellularer Ebene beeinflussen können. Die Nanomedizin wird erstmals Möglichkeiten bieten, heute unheilbare Krankheiten wie Alzheimer zu kurieren.

Die Verkleinerung von Geräten und Sensoren wird auch die Mobiltechnologie verändern. Smartphones, wie wir sie heute kennen, werden ersetzt sein durch winzige, allgegenwärtige Computer. Diese werden zwar das Leben in vielfacher Hinsicht vereinfachen, gleichzeitig aber auch zu einem Verfall der Privatsphäre beitragen.

Individuelle Fertigung in der Roboterfabrik

Auch Kevin Kelly, der 1993 das Magazin "Wired" mitgegründet hat, wagt einen Blick in die Kristallkugel. In 20 Jahren werden die meisten Dinge von Robotern gefertigt werden. Fortschritte im 3-D-Druck und der Materialforschung werden es den Konsumenten gleichzeitig erlauben, ihre Güter zunehmend zu individualisieren, statt vieles "von der Stange" kaufen zu müssen, prognostiziert er bei "Edge".

Steuerbare Überwachung

Einen teilweise optimistischen Ausblick gibt Kelly hinsichtlich der Überwachungsthematik, die die Weltöffentlichkeit seit den Enthüllungen von Edward Snowden kontinuierlich beschäftigt. Überwachung werde allgegenwärtiger sein als heute, meint Kelly, auch weil immer mehr Produkte mit immer mehr Sensoren und Vernetzung uns auch selbst ermöglichen, Daten über unser eigenes Leben zu erheben.

Die Lösung, so vermutet er, liegt darin, dass Menschen künftig wissen, wer sie überwacht und was überwacht wird – und darauf auch Einfluss nehmen können. "Aktuell fühlen sich die Leute einfach bespitzelt", so Kelly, "und sie können nicht kontrollieren, wer sie überwacht und welche Informationen festgehalten werden."

Das Ende der Erwerbsarbeit?

Doch zurück zu den Robotern: Der Vormarsch der Maschinen in vielen Wirtschaftszweigen und Lebensbereichen – von der Autoherstellung bis zur Seniorenpflege – wird gesellschaftliche Veränderungen nach sich ziehen. Wenngleich Arbeitsplätze für jene entstehen, die die automatisierten Helfer am Laufen halten, wird der Wegfall von Jobs wohl nicht annähernd kompensiert werden können.

Das, so erklärte der Futurist Federico Pistono auf der TEDx 2012 in Wien, muss einen radikalen Ideologiewechsel in Gesellschaft und Politik bewirken. "Roboter stehlen deinen Job, aber das ist OK", lautet der Titel eines von ihm veröffentlichten Buches, das von zwei möglichen Wegen in die Zukunft der Menschheit handelt.

Paradigmenwechsel

Während Maschinen diverse Aufgaben des Alltags besser stemmen, als Menschen es könnten, bietet diese Entwicklung die Chance, anstelle von Konzentration auf Erwerbsarbeit die eigenen Interessen zu entfalten und so einen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten. Ob das Arbeitsparadigma bereits in 20 Jahren ins Wanken gerät, bleibt freilich abzuwarten. (Georg Pichler, derStandard.at, 29.1.2015)