Bild nicht mehr verfügbar.

Spitze der NoWKR-Demonstration im Jänner 2014.

Foto: apa/herbert p. oczeret

Bild nicht mehr verfügbar.

Demoszene aus dem Vorjahr.

Foto: apa/herbert p. oczeret

Wer behauptet, auf seiner Demonstration oder sonstigen Veranstaltung sei es ausgeschlossen, dass es zu Gewaltakten kommt, macht sich etwas vor. Auch Herr Strache kann nicht garantieren, dass sich alle Gäste seines Balles benehmen werden. Die Erfahrung zeigt sogar, dass es rund um den "Akademikerball" immer wieder zu Reibereien kommt; auch mit Rechtsextremen, die an diesem Abend traditionell auf der Jagd nach "linken Zecken" sind – und selbstverständlich nichts mit dem Ball oder der dort zum Teil antanzenden Ideologie gemeinsam haben.

Demoverbot von 2011 war verfassungswidrig

Erinnern wir uns zurück: Bereits 2011 wurde die Demonstration gegen den (damals noch) Ball des Wiener Korporationsrings (WKR) von der Polizeiführung verboten. Hauptgrund waren, wie auch dieses Jahr, befürchtete Ausschreitungen, zu denen es in dem von der Polizei errichteten Kessel am Wiener Europaplatz auch kam.

Erst 2013 erteilte der Verfassungsgerichtshof dem polizeilichen Demonstrationsverbot im Nachhinein eine klare Absage. Demnach wären "zu befürchtende" Ausschreitungen schlicht kein legitimes Argument für eine Außerkraftsetzung des verfassungsmäßig gewährten Demonstrationsrechts. Es mutet also mehr als zynisch an, wenn Polizeipräsident Gerhard Pürstl jetzt davon spricht, es gehe ihm in erster Linie um die Einhaltung der bestehenden Rechtsordnung. Aufmerksame User können sich bestimmt daran erinnern, wie er im letzten Jahr sogar Daten von der Wiener Rettung abgreifen wollte, um verletzte Demonstranten strafrechtlich zu verfolgen. Die Wiener Polizeiführung reagiert somit nicht nur völlig unprofessionell auf die provokanten und fragwürdigen Äußerungen des NoWKR-Bündnisses, dem ein Training im Umgang mit Medien dringend anzuraten ist, sondern übergeht bewusst auch eine bestehende justizielle Anleitung für diesen konkreten Fall.

Polizei macht sich mit Verbot selbst das Leben schwer

Außer der rechtlichen Lage wirft ein Demoverbot auch aus polizeitaktischer Sicht Fragen auf: Anstatt die potenziellen "Krawallmacher" unter polizeilicher Begleitung über eine abgesteckte Demoroute kontrolliert durch die Stadt zu begleiten, nimmt man das Risiko in Kauf, dass Demonstranten verstreut und unkontrollierbar in der Wiener Innenstadt unterwegs sind. Wenn die Geschehnisse des Vorjahres eines gezeigt haben, dann dass die Eskalation nicht während des gut bewachten Demozuges erfolgte, sondern in dem Moment, in dem die Polizei ihre Aufmerksamkeit von diesem abgelenkt hat und gewaltbereite Kleingruppen sich relativ frei in der Innenstadt bewegen konnten.

Gerade der Wiener Polizei, die bereits mehrfach die Unkosten für Demonstrationsbegleitungen kritisiert hat, kann es unmöglich ein Anliegen sein, den personellen und kostentechnischen Aufwand für diesen Ball- beziehungsweise Demonstrationsabend noch zu erhöhen.

Deeskalationskonzept? Fehlanzeige!

Was bleibt, sind immer düsterere Vorahnungen über die Geschehnisse, die der 30. Jänner mit sich bringen könnte: Während die Wiener Polizei über keinerlei Deeskalationskonzept verfügt, das diesen Namen auch verdient hätte, fühlen sich antifaschistische Akteure immer stärker kriminalisiert. Dass all dies einem friedlichen Ablauf der Demonstrationen nicht dienlich sein kann, müsste sogar der durch Wort und Tat nicht gerade als herausragender Taktiker bekannte Polizeipräsident Pürstl erahnen können. (Joseph Stein, derStandard.at, 29.1.2015)