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Premier Renzi sitzt sein Vorgänger Berlusconi im Nacken.

Foto: EPA / Angelo Carconi

Matteo Renzi verbreitet Zweckoptimismus: Spätestens am Samstag, nach dem vierten Wahlgang, werde Italien einen neuen Staatspräsidenten haben, wiederholt der forsche Premier seit Tagen gebetsmühlenartig. Ob er selber an diese Prognose glaubt, ist fraglich. Denn noch nie war die Wahl eines neuen Staatsoberhaupts so unberechenbar und voller Fallstricke.

Wie angespannt die Stimmung ist, lässt sich am besten daran ablesen, dass Renzi als Regierungschef und Führer der größten Partei bis heute keinen eigenen Kandidaten genannt hat. Das ist völlig unüblich und zeugt von beträchtlicher Nervosität.

Auf Berlusconi angewiesen

Renzis Problem: Sein sozialdemokratischer Partito Democratico (PD) ist in der 1009 Mitglieder zählenden Parlamentsversammlung, die den Staatspräsidenten wählen wird, mit 445 Stimmen zwar die stärkste Kraft, kommt aber nicht auf die für die Wahl erforderliche absolute Mehrheit von 505 Stimmen - geschweige denn auf die in den ersten drei Wahlgängen am Donnerstag und Freitag nötige Zweidrittelmehrheit. Renzi braucht also die Unterstützung der Forza Italia von Ex-Premier Silvio Berlusconi.

Der rechtskräftig wegen Korruption verurteilte und mit einem Ämterverbot belegte Berlusconi besteht auf einem Nachfolger für Giorgio Napolitano, der ihm nicht feindlich gesinnt ist und ihm womöglich mit einer Begnadigung ein Polit-Comeback ermöglichen könnte. Berlusconi erwartet von Renzi, den er bisher unterstützt hat, eine politische Dividende: Ohne Forza Italia hätte Renzi noch keine einzige Reform durch den Senat gebracht - und auch künftig wird ohne ihn nichts gehen.

Und dann hat Renzi noch ein Problem: die eigene Partei. Der linke PD-Flügel wird einem "Berlusconi-Kandidaten" nie die Stimme geben. Die Gruppe um den früheren PD-Chef Pierluigi Bersani brachte daher den früheren EU-Kommissionspräsidenten und Ex-Premier Romano Prodi ins Spiel - ein rotes Tuch für Berlusconi.

Letta abserviert

Renzi hat mit seinem Hang, interne Kritiker zu verunglimpfen, zahlreiche Parteigenossen gegen sich aufgebracht. Auch die wenig elegante Weise, wie Renzi vor einem Jahr seinen Vorgänger Enrico Letta als Regierungschef abserviert hatte, ist bei vielen PD-Abgeordneten noch nicht vergessen. Viele wollen Revanche.

Kandidatennamen wurden zuletzt zu Dutzenden herumgereicht. Letztlich ist es angesichts der zerrütteten Verhältnisse im PD, aber auch innerhalb von Forza Italia und Beppe Grillos Protestbewegung unmöglich, eine Prognose zu erstellen. Fest steht nur, dass Renzi unter Zugzwang steht, einen Kandidaten zu nennen - und dass er sein Amt als Regierungs- und Parteichef riskiert, wenn am Ende ein Staatspräsident gewählt wird, der nicht auf seiner Liste stand.

Renzi hat angekündigt, die Katze erst kurz vor dem vierten Wahlgang am Samstag aus dem Sack zu lassen. Um die Lage auszuloten, hat er sich am gestrigen Mittwochabend noch einmal mit Berlusconi und Bersani getroffen. Es heißt, Renzi wolle eine Persönlichkeit vorschlagen, der sich niemand widersetzen könne, ohne in Erklärungsnot zu geraten. Möglicherweise schickt er eine Frau ins Rennen - es wäre die erste Staatspräsidentin Italiens. Nichts als Spekulationen vor dem großen römischen Showdown. (Dominik Straub aus Rom, DER STANDARD, 29.1.2015)