Bild nicht mehr verfügbar.

Ein Bild aus dem Vorjahr: Polizisten riegeln vor dem Akademikerball den Zugang zur Hofburg ab.

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Wien - Nach dem polizeilichen Verbot zweier Demonstrationen gegen den Akademikerball am Freitagabend sind die Fronten verhärtet. Der Wiener Polizeipräsident Gerhard Pürstl hatte die Untersagung am Mittwoch damit begründet, dass das NoWKR-Bündnis als Organisator in seinem Demo-Aufruf "Gewalt beharrlich nicht ausgeschlossen" und sogar "Militanz" gefordert habe.

Stimmt nicht, sagen die Organisatoren. "Die Polizei verschärft ihre Propaganda damit, dass sie Dinge unterstellt, die wir gar nicht gesagt haben", erklärt Lars Fischer von NoWKR in einer Aussendung. So habe Pürstl die Aussage eines Bündnisvetreters, wonach ein Verbot zu ungeordneten Zuständen in der Innenstadt führe, als Drohung ausgelegt. "Das ist keine Drohung, sondern gesunder Hausverstand, dass der Wegfall eines wichtigen Anlaufpunktes zu Unordnung führt", so Fischer.

Die Gruppe ortet eine "Bekenntnisdemokratie", die die Exekutive errichten wolle. Gehe es nach der Polizei, so solle nur demonstrieren dürfen, "wer ausschließen könne, dass keine anderen Dinge passieren als jene, zu denen man selbst aufgerufen hat", sagt Fischer und ergänzt: "Weder im Vorfeld noch auf der Pressekonferenz hat es einen Aufruf zur Gewalt unserer Bündnisse gegeben."

Keine Option auf Rücknahme

Eine Distanzierung von Gewalt forderte am Mittwoch auch der grüne Sicherheitssprecher Peter Pilz und versuchte sich in der Vermittlerrolle: Wenn die Organisatoren glaubhaft erklären, zu gewaltfreien Demonstrationen beitragen zu wollen, solle die Polizei auf dieser Basis das Verbot rückgängig machen.

In der Wiener Landespolizeidirektion ist das keine Option. Eine nachträgliche Genehmigung werde es nicht geben, sagt Polizeisprecher Johann Golob zu derStandard.at, selbst wenn sich die Veranstalter nun kurzfristig und einmalig distanzieren. "Sie haben über Wochen und Monate zu Militanz aufgerufen, und die Ausrichtung ist jetzt die gleiche wie damals", sagt Golob.

So habe es Aufrufe gegeben, "die Gesellschaft in Österreich anzugreifen" und "die Aberkennung des staatlichen Gewaltmonopols durch militante Aktionen und Symboliken" voranzutreiben, zitiert Golob. Man sei sich aber bewusst, dass solche Ansagen nur von einer kleinen Gruppe kämen, sagt der Polizeisprecher: "Der überwiegende Teil ist friedlich, und wir wollen die Proteste nicht pauschal verurteilen." Demonstrationen seien legitim, aber nur, solange sie sich in einem gewaltfreien Rahmen bewegen.

Rechtliche Schritte

Das Bündnis kündigte jedenfalls rechtliche Schritte gegen die Entscheidung an und beruft sich auf Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs, der das Verbot von Demonstrationen in den Jahren 2010 und 2011 als verfassungswidrig bezeichnet hatte. Doch laut Golob steht die Polizei heuer nicht im Konflikt mit der Verfassung. Gemäß Paragraf 6 des Versammlungsgesetzes – "Versammlungen, deren Zweck den Strafgesetzen zuwiderläuft oder deren Abhaltung die öffentliche Sicherheit oder das öffentliche Wohl gefährdet, sind von der Behörde zu untersagen" – sei der Exekutive gar kein Ermessensspielraum geblieben, und sie habe die Kundgebungen sogar untersagen mussen.

Das Bündnis NoWKR ruft seine Sympathisanten dennoch auf zu demonstrieren - mit oder ohne Genehmigung. Zentrale Anlaufstelle soll das Äußere Burgtor sein. Am Freitag werden 2.500 Beamte im Einsatz sein, rund um den Veranstaltungsort des Balls, die Wiener Hofburg, wird ein Platzverbot verhängt.

"Gebetsmühlenartiges Bekenntnis"

Der Rechts- und Kriminalsoziologe Reinhard Kreissl kritisierte das Demonstrationsverbot im Ö1-"Morgenjournal" am Donnerstag. "Die Polizei neigt hierzulande oft dazu, mit Kanonen auf Spatzen zu schießen. Es wirkt sicher nicht deeskalierend, wenn man mit einer großen Polizeimacht auftritt und große Teile der Innenstadt zur No-go-Area erklärt", sagte Kreissl. Das Deeskalationsangebot der Polizei sei inzwischen zusammengeschrumpft auf ein gebetsmühlenartiges Bekenntnis zur Gewaltfreiheit.

Im Vorfeld würden Worte auf die Goldwaage gelegt, "die meines Erachtens nicht so ernst genommen werden sollten. Niemand sagt explizit, er werde zur Gewalt greifen", sagte Kreissl über die inkriminierten Gewaltvorwürfe. "Das, was hier geschieht, ist nicht unbedingt einem friedlichen Verlauf einer solchen Veranstaltung förderlich."

Der Soziologe anerkennt aber auch die schwierige Rolle der Exekutive. Sie werde bei ihrer Arbeit rund um den Akademikerball alleine gelassen und habe die schlechtesten Karten, weil sie es keiner Seite recht machen könne. "Wenn es so weit ist, dass die Polizei eingreifen muss, hat die Politik versagt", so Kreissl. Es sei wichtig, dass es im Vorfeld einer derartigen Veranstaltung zu einer politischen Auseinandersetzung komme. Polizeilich wäre es die richtige Strategie, die wenigen "Krawallmacher" rechtzeitig zu isolieren, ohne den ganzen Demonstrationszug oder alle Teilnehmer im Nachhinein zu kriminalisieren.

Glawischnig ruft zu Teilnahme an "Jetzt Zeichen setzen" auf

Grünen-Chefin Eva Glawischnig rief am Donnerstag in einer Aussendung zur Teilnahme an der genehmigten Kundgebung "Jetzt Zeichen setzen" auf. Bei der Veranstaltung werden am Freitag Holocaust-Überlebende sprechen. "Wenige Tage nach der 70. Wiederkehr der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz soll damit deutlich gemacht werden, dass ein deutschnationaler Ball, auf dem sich in den vergangenen Jahren das Who-is-who der rechtsextremen Szene vernetzt hat, fehl am Platz ist", sagte Glawischnig.

Sie forderte dazu auf, dass alle Proteste gegen den Ball friedlich und gewaltfrei ablaufen. "Das ist die einzige einer demokratischen Gesellschaft angemessene Form des Protestes gegen den Ball." Glawischnig appellierte zudem an die Polizei, auf deeskalierende Maßnahmen zu setzen. (mcmt, koli, derStandard.at, 29.1.2015)