Die mediale Berichterstattung über den FPÖ-Akademikerball dreht sich um Demonstrationen, Polizei und das juristische Drumherum.

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In den Tagen und Wochen vor dem Akademikerball (früher WKR-Ball) erhält man als Politikwissenschafter mit Forschungsschwerpunkt Burschenschaften viele Anfragen – heuer sind es mehr denn je. Doch der Inhalt der Anfragen rückt, je näher der Balltermin, verlässlich immer weiter von Burschenschaften weg hin zu Demonstrationen, Polizei und juristischem Drumherum.

Nun mag die Vermutung naheliegen, dass die Fokusverschiebung der (verbal?-)radikalen Linken anzulasten sei, die durch militantes Auftreten die Problematik eines Stelldicheins der äußersten akademischen Rechten in der Hofburg in den Hintergrund dränge. Diese Sichtweise wäre allerdings zu kurz gegriffen.

Journalistischer Reflex

Zum einen scheint in Teilen der journalistischen Zunft eine geradezu reflexhafte Bereitschaft vorhanden, inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Stein des Anstoßes ein- oder zumindest hintanzustellen, sobald die redaktionelle Hoffnung auf kamerataugliche Pflastersteinwürfe, Scheibenbrüche und Barrikadenbau erste Nahrung erhält. Zum anderen hat die Veranstaltung selbst, also der nun unter anderem Label abgehaltene WKR-Ball, den österreichischen Journalismus über fünf Jahrzehnte hinweg genau gar nicht interessiert.

Auf der Agenda

Das Interesse sowohl der Medien als auch des bürgerlichen Antifaschismus wurde in dem Moment geweckt, in dem autonome Antifaschistinnen und Antifaschisten die Veranstaltung in der Hofburg durch erst unangemeldeten und später auch untersagten Protest auf die Agenda setzten. Jene bürgerlichen oder liberalen Antifaschistinnen und Antifaschisten, die nun durch das üble Wirken der radikalen Linken ihren Protest delegitimiert sehen, könnten sich die Frage stellen, wie viele weitere Jahrzehnte sie ohne Initialzündung durch die radikale Linke zugewartet hätten, diesen Protest in Angriff zu nehmen. Es ist nicht so, dass der Ball bis 2008 im Geheimen stattgefunden hätte.

Zur Frage der Demo-Untersagung nur eine Bemerkung: die Öffentlichkeitsarbeit des NoWKR-Bündnisses mag man misslungen, kontraproduktiv oder gar skandalös finden. Die Militanz oder die Gewaltandrohungen heuer scheinen jedoch nicht über die Ansagen vergangener Jahre hinauszugehen. Wenn dem so ist, hätten entweder sämtliche NoWKR-Demos der vergangenen Jahre verboten werden müssen – oder die heurige nicht. Für Letzteres spricht der bekannte Umstand, dass das Demo-Verbot 2011 vom Verfassungsgerichtshof nachträglich als verfassungswidrig eingestuft wurde.

Blick Richtung Südtirol/Alto Adige

Was die Debatte über "Gewalt gegen Sachen" als politische Aktionsform betrifft, liegen alle Meinungen auf dem Tisch. Die "Meisterschaft" von Burschenschaftern in dieser Disziplin, unter Beweis gestellt unter anderem in Südtirol/Alto Adige, werden Antifaschistinnen und Antifaschisten hierzulande wohl nie erreichen (so sie das überhaupt wollten); geschweige denn die Gleichgültigkeit gegenüber Menschenleben, die die burschenschaftlich durchsetzten Südtirol-Bumser in weiterer Folge an den Tag legten – wofür sie in burschenschaftlichen Kreisen bis heute als "Freiheitskämpfer" glorifiziert werden.

Eine Gewaltakzeptanz- und Militanzdebatte, in der Burschenschafter nur noch als Opfer vorkommen, sagt nicht nur vor diesem Hintergrund einiges über die Konfiguration des polit-medialen Diskurses in Österreich aus. (Bernhard Weidinger, derStandard.at, 29.1.2015)