Es ist ein Grundproblem des gar nicht mehr so jungen Mediums Computerspiele: So rasant, wie der technische Fortschritt alles schöner, größer und komplexer macht, verfallen die einstigen Kultspiele zu unansehlichen, oft sogar auf modernen Geräten unspielbaren Oldies, die nur in der Erinnerung ihrer Fans im ursprünglichen Glanz erstrahlen. Es ist eine Art von erzwungener Geschichtslosigkeit, die vom Drang der Branche zum immer Neuen und zur Inkompatibilität neuer Hardware mit den Vorgängermodellen noch unterstützt wird.

Zunehmend besinnen sich die Hersteller ihrer Geschichte, und damit der Großtaten, die jahrelang ungenutzt und fast vergessen in den digitalen Archiven lagerten. Während bislang treue Fans mancher alten Titel und Spiele-Historiker auf die in fragwürdigen Grauzonen blühenden Abandonware-Seiten oder zumindest in Einzelfällen auf den auf ältere Titel spezialisierten Online-Vertrieb GoodOldGames zurückgreifen konnten, blieb vom nostalgischen Trip in die eigene Spielevergangenheit oft nur Enttäuschung: Verpixelt, veraltet, hässlich - mit der Grafik oder Benutzerfreundlichkeit neuer Spiele können die Klassiker niemals mithalten.

Klassiker in neuem Glanz

Doch immer öfter kehren die Klassiker auch zurück. Remakes sind im Trend: Mit "Resident Evil HD" erschien jüngst ein auf Hochglanz poliertes offizielles Remake des Zombie-Schockers aus dem Jahr 1996, David Cages Adventure "Fahrenheit: Indigo Prophecy" wird für einen Re-Release vorbereitet und auch das Weltraumstrategiespiel "Homeworld" soll in Kürze in einer rundumerneuerten Fassung alte und neue Fans ansprechen.

Auch Sony bemüht sich seit längerer Zeit in seiner "Classics HD"-Serie um das Weiterleben seines Back-Katalogs, und mit der "Master Chief Collection" hat sich etwa jüngst auch Microsoft - aufgrund massiver technischer Probleme mäßig erfolgreich - an einem Wiederverkauf der "Halo"-Serie versucht. Wenn von offizieller Seite jedoch kein Interesse an der Wiederbelebung alter Spiele besteht, nehmen ambitionierte Fans inzwischen oft die Zügel selbst in die Hand und lassen ihre Lieblingstitel in neuem Gewand zurückkehren.

Foto: Black Mesa
Foto: Lost Alpha

Fans als Entwickler

In den letzten Jahren haben Teams von begeisterten Amateuren einige Klassiker in oft jahrelanger unbezahlter Kleinarbeit erneut vor den Vorgang geholt. Große Teile von Valves First-Person-Kultspiel "Half-Life" wurden durch das Fan-Remake "Black Mesa" in acht langen Jahren von einem Team von 40 Freiwilligen auf Hochglanz poliert, "The Dark Mod" stellte das grafisch in die Jahre gekommenen Schleichspiel "Thief" von 1998 runderneuert auf ein völlig neues technisches Gerüst und auch die Adventure-Klassiker der "King’s Quest"-Reihe wurden von Fans liebevoll in modernem Gewand nachgebaut.

Das Fan-Remake des postapokalyptischen "S.T.A.L.K.E.R" ist ein Sonderfall: In sechsjähriger Arbeit mühten sich die Fan-Entwickler von "Lost Alpha" damit ab, ihr Lieblingsspiel in einer umfassend erweiterten Fassung auferstehen zu lassen, die nicht nur besser aussah, sondern alle versprochenen, in der Endversion gekürzten Features des Shooters nachreichte - ein Liebesdienst an einem Spiel, wie es hätte sein sollen.

Teamarbeit und Ambition

Die ambitioniertesten Fan-Remakes sind Hommage und Experiment gleichermaßen - von Fans für Fans. So arbeiten Dutzende Freiwillige etwa seit mehreren Jahren an der Übertragung der älteren "Elder Scrolls"-Rollenspiele "Morrowind" und "Oblivion" in die grafisch aktuelle Engine des Bestsellers "Skyrim". "Skywind" und "Skyblivion" nennen sich die gewaltigen Unternehmungen, an denen Dutzende Freiwillige aus der ganzen Welt mitarbeiten. Der Brite Aeryn James Davies arbeitet seit über drei Jahren an "Skywind" - über 500 Stunden unbezahlte Arbeit hat er neben seinem Job in der Spielebranche schon in das Projekt investiert.

Das Wichtigste ist dabei die Teamarbeit, mit Arbeitsteilung in einem internationalen, auf die ganze Welt verteilten Team, so Davies: "Zu Beginn war ich Lead 3D Artist und habe die anderen Künstler mitorganisiert. Inzwischen bin ich nur mehr für das Environment-Modelling und Texturen zuständig, später kommen dann Kreaturen und Kleidung dazu. Das Kernteam besteht aus sieben, acht Leuten, aber bis zu 15 andere arbeiten kontinuierlich mit. Für viele unserer jüngeren Mitstreiter ist die Arbeit an ‘Skywind’ auch eine Gelegenheit, ihre Fähigkeiten zu trainieren und Erfahrung zu sammeln."

Foto: Skyblivion
Foto: Alchemilla

Anstrengender Idealismus

Auch Aleksandr Goryachev hat buchstäblich Jahre seines Lebens seinem Traumspiel geopfert, das mehr ist als nur die grafische Runderneuerung eines Oldtimers. Vor sechs Jahren hat er alleine sein ganz spezielles "Silent Hill"-Remake-Projekt "Alchemilla" gestartet, seit drei Jahren arbeiten er und ein einziger Mitstreiter an ihrer Vision, aus dem Horrorspiel-Klassiker ein Adventure aus der First-Person-Perspektive zu machen. Erst vor wenigen Tagen hat Goryachev sein Projekt als Standalone-Modifikation zum kostenlosen Download freigegeben - ein nostalgisch-atmosphärischer Leckerbissen für Fans der düsteren Horrorserie, ganz ohne Monster und Actionsequenzen.

Die Arbeit am Spiel hatte dabei auch für ihn praktischen Wert: "Zu Beginn des Projekts hatte ich noch nicht mal die grundlegendsten Entwcklerkenntnisse. Jetzt, nach sechs Jahren und unzähligen Stunden, ist Spieleentwickeln mit meinem kleinen Studio sogar zu meinem Job geworden." Während er sein Geld mit Casual und Mobile Games verdient, feilt er weiter an seinem Herzensprojekt; so soll etwa noch Oculus-Rift-Support für "Alchemilla" nachgereicht werden.

Kreatives Fantum

Die Liste der Fan-Remake-Projekte wächst kontinuierlich, und die Zugänge sind so unterschiedlich wie die Menschen, die ihre Freizeit der Liebe zu "ihrem" Spiel opfern: Ein "Super Mario 64"-HD-Remake will den Nindendo-Klassiker nicht nur grafisch aufpolieren, sondern gleich mit Multiplayer verfeinern, "Renegade X" holt das fast vergessene "Command & Conquer"-Spinoff aus dem Jahr 2002 in die Gegenwart und das ambitionierte "Pioneer" füllte lange Jahre den Sehnsuchtsschmerz der Fans nach einem offiziellen "Elite"-Nachfolger.

Der Australier Robert Norris arbeitet seit sieben Jahren an "Pioneer". Die Weltraumsimulation hat sich vom Remake des "Elite"-Sequels "Frontier" zum eigenständigen Projekt gemausert, an dem über die Jahre an die 50 Freiwillige mitgearbeitet haben. Norris bnestätigt, dass die Arbeit an Fan-Remakes ein guter Einstieg in die Gamesbranche sein kann. "Einige aus der ‘Pioneer’-Community konnten ihre Erfahrungen hier in ihren Jobs weiterverwerten. Zwei der Hauptprogrammierer waren schon zuvor in der Branche, aber auch für sie war die Arbeit eine Bereicherung. Mich selbst hat ‘Pioneer’ definitiv zum besseren Programmierer gemacht, aber ebenso zum besseren Projektmanager - man muss immerhin den Umgang mit einem großen, fluktuierenden Team bewältigen."

Chadtronic
Foto: Pioneer Remake

Vorsicht, Anwalt!

Für jedes erfolgreich abgeschlossene Mammutprojekt schlummern aber Dutzende gescheiterte Versuche in den Archiven des Netzes. Manchmal scheitern die hoffnungsvollen Fanprojekte allerdings nicht an der Aufgabe selbst, sondern an rechtlichen Hürden - schließlich sind sich auch die Publisher und Entwickler des Werts ihrer von Fans so heiß geliebten Marken bewusst. Im schlimmsten Fall ist dann die ganze harte Arbeit umsonst: Ein ambitioniertes Remake des klassischen "Metal Gear" aus dem Jahr 1987 wurde letztes Jahr von den Rechteinhabern ebenso eingestampft wie die seit Jahren vorbereitete Wiederkehr von "Vampire - The Masquerade: Bloodlines".

Auch wenn die Fan-Projekte keine kommerziellen Hintergründe haben, meinen die Publisher immer wieder, ihre Rechte vor allzu viel Vereinnahmung schützen zu müssen. Nur das oben erwähnte "Black Mesa" macht die große Ausnahme: Der "Half-Life"-Entwickler Valve will den Machern bei finaler Fertigstellung großzügigerweise sogar die kommerzielle Verwertung ermöglichen. Und auch beim HD-Fan-Remake des Kult-Action-Adventures "Shenmue" stehen die Chancen gut, dass sich Publisher Sega mit dem koreanischen Fan-Entwickler zusammentut und so dem Projekt gleichsam zu höheren Weihen verhilft - auch die ultimative moderne Fassung des Klassikers "Sonic the Hedgehog CD" aus dem Jahr 1993, die 2011 für aktuelle Konsolen wiederveröffentlicht wurde, war ursprünglich ein Fan-Remake gewesen.

Foto: Shenmue HD

Aus Liebe zum Spiel

Aeryn Davies vom "Skywind"-Team ist sich der rechtlichen Gratwanderung bewusst: "Wir unternehmen alles, um rechtliche Probleme mit Bethesda, dem Publisher der ‘Elder Scrolls’-Reihe zu vermeiden. Wir verwenden kein einziges Modell, keine einzige Textur und keine Audio-Elemente aus dem Original. Letztlich hoffen wir, dass Bethesda unser Projekt so weit würdigt, dass wir Storyline und Setting verwenden dürfen - und immerhin braucht man zum Spielen des Remakes ja auch die Originale."

Fan-Remakes sind letztlich Mammutprojekte mit ungewissem Ausgang - ob die jahrelange, unbezahlte Arbeit nicht in letzter Sekunde übereifrigen Anwälten zum Opfer fällt, kann niemand der Beteiligten vorhersagen. Warum tut man sich das an? Aeryn Davies vom "Skywind"-Team hat eine Antwort. "Die Motivation ist die Liebe zum Original - und die Herausforderung, das Unmögliche zu schaffen. Niemand hat geglaubt, dass es für zehn bis 20 Fans zu schaffen sein sollte, ein ganzes professionelles Spiel als Remake fertigzustellen. Wir treten den Gegenbeweis an." (Rainer Sigl, derStandard.at, 1.2.2015)