Bild nicht mehr verfügbar.

Fettablagerungen an den Wänden von Blutgefäßen sind eine gefährliche Sache. Werden sie vom Blutstrom weggespült, verstopfen sie Gefäße und verursachen damit Herzinfarkte und Schlaganfälle.

Foto: picturedesk/JOHN BAVOSI

Es scheint wirklich überall zu sein, in den Medien, im Plasma, und im Essen sowieso: das allgegenwärtige Cholesterin. Übles kann es anrichten. Ist zu viel davon im Umlauf, bildet es die Basis für Ablagerungen in Blutgefäßen. Der Betroffene leidet dann unter Arteriosklerose. Mitunter können diese Ablagerungen lebensbedrohlichen Folgen haben.

Fettige Klumpen

Das Problem hat sich längst zu einer Volkskrankheit entwickelt. Wenn Arterien durch fettige Klumpen verstopfen, kann dies zu Herzinfarkten oder Schlaganfällen führen. "In Österreich ist das die Todesursache Nummer eins", betont Internist Christoph Binder von der Medizinischen Universität Wien. Allerdings: Cholesterin ist nicht gleich Cholesterin. Nur in einer an bestimmte Proteine gebundenen Form, der LDL-C-Variante, schadet es den Gefäßen. Eine Konzentration über 160 Milligramm pro Deziliter Blutplasma gilt allgemein als gefährlich.

Viele Personen gehören jedoch zu Risikogruppen. Genetische Faktoren und Vorerkrankungen können die Entstehung von Arteriosklerose und die damit verbundenen Komplikationen begünstigen. Der ideale LDL-C-Wert ist somit eher eine individuelle Angelegenheit, wie Binder erläutert. Generell aber gilt: "Je weniger, desto besser."

Zu viele tierische Fette

Einen überhöhten LDL-C-Pegel bezeichnen Mediziner als Hypercholesterinämie. Eine häufige Ursache ist die zu starke Aufnahme tierischer Fette über die Ernährung. Übergewicht oder familiäre Veranlagung kann ebenfalls von Bedeutung sein. Die Behandlung erfolgt heutzutage mit sogenannten Statinen. Solche Arzneimittel greifen bremsend in den Cholesterinstoffwechsel ein. So mancher versucht auch, sein LDL-C über eine Diät in den Griff zu bekommen. Das Ergebnis reicht oft nicht aus, erklärt Christoph Binder.

Was man jedoch gerne übersieht: Etwa die Hälfte des im Körper zirkulierenden Cholesterins wird von ihm selbst hergestellt - unter anderem in der Leber. Schließlich dient die Substanz als Ausgangsmaterial für die Produktion der verdauungsfördernden Gallensäuren und lebenswichtiger Hormone. OhneCholesterin geht's also nicht.

Die Cholesterinsynthese indes wird über mehrere biochemische Schaltkreise gesteuert. Eine wesentliche Rolle spielt dabei die Regulierung der LDL-C-Konzentrationen im Blutplasma durch die Aktivität der sogenannten LDL-Rezeptoren, kurz LDLR.

Sie sitzen an der Außenseite von Zellmembranen, fangen dort frei flottierendes LDL-Cholesterin ein und initiieren dessen Transport ins Zellinnere. Die Rezeptormoleküle bleiben dabei für eine gewisse Zeit an LDL-C gebunden, kehren aber nach getaner Arbeit meistens in recycelter Form an die Zelloberfläche zurück - bereit für den nächsten Zyklus.

Protein für Recycling

Die Präsenz von LDLR unterliegt allerdings der Kontrolle durch eine weitere Substanz. Dieses unter Fachleuten als PCSK9 bekannte Protein wird hauptsächlich von Leberzellen gebildet und bindet gezielt an LDL-Rezeptoren. Dadurch kommt in den Zellen das LDLR-Recycling zum Erliegen - mit beachtlichen Auswirkungen. Eine Abnahme der aktiven LDLR lässt die Menge an Cholesterin im Blutplasma signifikant steigen. Je höher also die PCSK9-Konzentrationen, desto höher auch die LDL-C-Werte. Und umgekehrt.

Die Entdeckung dieses Regelwerks vor rund zehn Jahren brachte Experten auf eine Idee. Durch gezieltes Ausschalten von PCSK9, so die Überlegung, ließe sich Hypercholesterinämie wahrscheinlich bekämpfen. Man machte sich an die Arbeit. 2009 konnten die ersten monoklonalen Antikörper gegen PCSK9 präsentiert werden. Es sind künstliche Varianten ebenfalls im menschlichen Körper vorkommender Proteinmoleküle. Ihre Funktion ist die Bindung an und Inaktivierung von PCSK9. Ein zusätzlicher Steuerungsmechanismus. Die Natur diente den Wissenschaftern als Vorlage.

Neue Hoffnungen

Die große Hoffnung ist nun, monoklonale PCSK9-Antikörper standardmäßig zur Senkung problematischer Cholesterinwerte einsetzen zu können. Das Konzept scheint aufzugehen. Erfolgsmeldungen kommen zurzeit vor allem vom Pharmakonzern Sanofi und von der US-Firma Regeneron. Der von ihnen gemeinsam entwickelte Antikörper Alirocumab durchläuft gerade klinische Tests.

Die ersten Ergebnisse sind durchaus ermutigend. Bei 44 Hypercholesterinämiepatienten konnte durch 14-tägige Verabreichung von 150 Milligramm Alirocumab nach 24 Wochen eine Senkung der LDL-C-Werte um durchschnittlich 54 Prozent erreicht werden. Für eine gleich große, mit dem Medikament Ezetimib behandelte Testgruppe, betrug die mittlere Senkung nur 17 Prozent (vgl.: International Journal of Cardiology, Bd. 176, S. 55).

In einer gemeinsamen Erklärung berichteten Sanofi und Regeneron, man habe bei der Injektion von 300 Milligramm Alirocumab alle vier Wochen ähnliche Ergebnisse erzielt. Detailliertere Angaben wurden gleichwohl aber noch nicht veröffentlicht.

Langzeitwirkung entscheidet

Monoklonale PCSK9-Antikörper mögen zwar tatsächlich eine erhebliche Reduzierung der LDL-C-Konzentrationen bewirken können, doch das ist nicht das eigentliche Ziel. "Was im Endeffekt zählt, ist die Auswirkung auf klinische Manifestationen", meint Binder. Mit anderen Worten: Führt die Behandlung mit solchen Präparaten auch zu einer verringerten Zahl von Schlaganfällen und Herzinfarkten?

Binder zeigt sich hier vorsichtig optimistisch. "Wir wissen, dass jede Art von Cholesterinsenkung das Risiko kardiovaskulärer Erkrankungen senkt." Im Rahmen einer aktuellen Studie mit anderen Medikamenten habe man zum Beispiel ermittelt, was eine Abnahme des LDL-C-Spiegels von circa 70 auf 50 Milligramm pro Deziliter bewirkt. "Sogar dieser kleine Unterschied macht sich bemerkbar", betont er. Die Anzahl der arteriosklerosebedingten Krankheitsfälle ging um zwei Prozent zurück.

Laut Binder könnte auch der kombinierte Einsatz von Statinen und künstlichen Antikörpern interessant sein. Beide greifen schließlich an unterschiedlichen Stellen im Cholesterinstoffwechsel ein, ergänzen sich aber gegenseitig in der Wirkung. Denn jedes Milligramm zählt. (Kurt de Swaaf, DER STANDARD, 30.1./1.2.2015)