Online-Arbeitsplatz im Wandel der Zeit.

Onlinejournalismus bedeutet Abhängigkeit - von der Technik. Wer digitale Nachrichten so schnell und so multimedial wie möglich produzieren will, braucht die Werkzeuge, die das erlauben. Während heute jeder mit seinem Smartphone Texte und riesige Videodateien in Topqualität mit ein paar Klicks veröffentlichen kann, war das vor 20 Jahren undenkbar.

Zu Beginn von derStandard.at war der glücklichste Moment des Tages, wenn die Internetverbindung hergestellt werden konnte und so stabil blieb, dass die Zeitung irgendwie ins Netz kam. Heute ist es ein Unglück, wenn ein Artikel Sekunden zu spät veröffentlicht wird, weil die vermeintliche Konkurrenz auf der Social-Media-Timeline vor einem liegt.

Um die Jahrtausendwende, als die Onlineredaktion ausgebaut wurde, hieß es in Inseraten: "Wenn Sie redaktionelle Erfahrung haben, das Internet zu Ihrem täglichen Leben wie der Frühstückskaffee gehört, Sie HTML-Grundkenntnisse besitzen und der turbulente Tagesablauf in einer Onlineredaktion Sie zu Höchstleistungen anspornt, bewerben Sie sich bei derStandard.at."

Diese Anforderungen sind zwar grundsätzlich gleich geblieben, haben sich aber in ihrer Ausformung geändert. Zunächst reicht ein wenig journalistische Erfahrung nicht mehr aus, weil Onlinemedien sehr viel mehr in der Auslage stehen als früher. Sie haben stark an Relevanz gewonnen. Jeder kleinste Fehler wird entweder durch das Forum aufgedeckt oder über Facebook, Twitter oder sonst wo öffentlich bloßgestellt.

Diese multiplen Echtzeit-Watschn mögen zwar schmerzhaft sein, verdienen aber nicht das Label Shitstorm, weil sie dazu beigetragen haben, dass die journalistische Sorgfalt und somit die Qualität der seriösen Onlinemedien gestiegen ist.

Nachtkästchen-Service

Auch der Stress ist nicht neu, nur hat er sich noch mehr über Tag und Nacht ausgeweitet. Während sich früher die Desktopnutzung noch auf Bürozeiten beschränkte, greifen die User heute schon ab vier Uhr früh auf ihr Handy am Nachtkästchen und checken, was es Neues gibt. Abends detto.

Zu der gesteigerten Nachfrage kommt auch noch die unglaubliche Vermehrung der Daten, die zur Verarbeitung bereitstehen. Musste man früher hauptsächlich die Nachrichtenagenturen checken, so gibt es heute ein Zigfaches an Quellen, die zur Recherche zur Verfügung stehen.

Wie sich der Job verändert hat, lässt sich auch an der Gestaltung der Arbeitsplätze ablesen. Früher reichte ein kleiner Bildschirm pro Mitarbeiter, heute sind zwei große normal, damit man den Überblick über Outlook, das Redaktionssystem für Online und Print, diverse Startseiten anderer Medien, Twitter, Facebook, Youtube, die Agentur- und Bilddatenbank, Photoshop und sonstige Tools bewahrt. Daneben liegt das Smartphone oder das Tablet zur Kontrolle der mobilen Auslieferung.

Relativ neu sind die Herausforderungen einer integrierten Redaktion. Ein gemeinsames Team bespielt bei DER STANDARD seit 2013 Print und Online. Ein Anti-Stress-Programm ist auch das nicht. Hier gilt es wie bei der Aufstellung für ein Fußballteam die jeweiligen Experten dort einzusetzen, wo sie am besten sind. Aber auch dort, wo es mannschaftsdienlich ist, etwa am Newsdesk. Aktuelle Berichterstattung, Liveticker, multimediales Feature, Datenjournalismus, Interview, Video, Kommentar, Analyse, Reportage: Noch nie hatten wir so viele Möglichkeiten, unsere Geschichten zu erzählen. Nur die Zeit ist immer zu kurz. (Rainer Schüller, derStandard.at/DER STANDARD, 30.1.2015)