Wien - 7000 Juden haben 2014 Frankreich verlassen und sind als Reaktion auf antisemitisch motivierte Anschläge nach Israel ausgewandert. In Österreich sieht der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) Wien, Oskar Deutsch, derzeit keinen Grund für Angst und würde Jüdinnen und Juden daher auch nicht raten, das Land zu verlassen. Das sei eine persönliche Entscheidung. "Aber wir sind in Sorge, weil überall Anschläge passieren könnten", sagte Deutsch am Sonntag in der ORF-Pressestunde. Die Frage sei, wann und wo.

"Dritte Art" von Antisemitismus

Der Antisemitismus sei jedenfalls mehr geworden: "So war er noch nie", sagte Deutsch und sprach von einer "dritten Art" von Antisemitismus: Zu den quasi bekannten und "gewohnten" Antisemitismen "von links" und "von rechts" komme der "islamistische Antisemitismus". Und da seien "die Vorfälle stark gestiegen". In dem Zusammenhang kritisierte der IKG-Vorsitzende auch die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ), die zu wenig dagegen tue, wenn in Moscheen und islamischen Schulen gegen Juden gepredigt werde. Ein entsprechender Brief von ihm an IGGiÖ-Präsident Fuat Sanac sei unbeantwortet geblieben. Er wolle zwar nicht eine ganze Religion in Geiselhaft nehmen, aber von einigen aus dem Islam komme "Hetze".

Dschihadisten Pass abnehmen und ausbürgern

Nicht nur die IGGiÖ müsse dagegen Maßnahmen setzen, auch die EU. Der IKG-Präsident ist - wie Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) - dafür, heimkehrenden Jihad-Kämpfern Reisepass und Staatsbürgerschaft abzunehmen und sie "außerhalb der EU zu bringen": etwa nach Syrien oder in den Irak, schlug er vor: "Es bringt nichts, diese Leute zu beobachten, man muss Konsequenzen setzen." Die Beobachtung der Attentäter von Paris habe ja offenkundig nicht wirklich geholfen.

Akademikerball in der Hofburg eine "Schande"

Kein Verständnis hat Deutsch für den von der FPÖ veranstalteten Akademikerball, noch dazu in der Hofburg, dem "Herzen Österreichs". Das sei "eine Schande, der Ball hat dort nichts zu suchen". Die IKG habe daher auch "keine Gesprächsbasis mit der FPÖ".

Deren Generalsekretär Herbert Kickl sehe die sehr wohl, zumal Deutsch inhaltlich "etwa im Bereich des Umgangs mit IS-Rückkehrern aus Syrien weitgehend auf FPÖ-Linie" liege, konterte Kickl. (nim, DER STANDARD, 2.2.2015)