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Wenn Prinz Charles eines Tages den Thron besteigt, wird erwartet, dass er sich politisch mehr einmischt, als es Queen Elizabeth II tut.

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Ein Workaholic, der seine Angestellten bis zur Erschöpfung beansprucht; ein Zwangsneurotiker mit dem unstillbaren Drang zur Weltverbesserung; ein zukünftiges Staatsoberhaupt, das seine Rolle ganz anders interpretieren will als die hochangesehene Amtsinhaberin: Eine neue Biografie über den britischen Thronfolger bestätigt die schlimmsten Ängste von Royalisten und Verfassungsexperten auf der Insel. Demzufolge verweigert Charles (66) trotz zunehmender Beanspruchung als Prinzregent die vom Buckingham-Palast gewünschte Zurückhaltung in gesellschaftlichen Fragen. "Er wird seine über lange Jahre erworbene Unabhängigkeit nicht so leicht aufgeben", urteilt Autorin Catherine Mayer.

Wie der Untertitel nahelegt, versucht die bestens vernetzte Korrespondentin des US-Magazins "Time" den Blick ins Innenleben des ewigen Thronfolgers – ins "Herz eines Königs". Er sei von Geburt an auf die Königsrolle vorbereitet worden, analysiert die Autorin laut Vorabdruck in "The Times": "Aber er zielt auf Höheres. Er spürt den Zwang, etwas zu bewirken." Dazu zählen seine normalerweise geheimen Interventionen bei Ministern, über die monarchiekritische Medien seit Jahren Auskunft verlangen. Noch in diesem Frühjahr entscheidet der Supreme Court über die Veröffentlichung von 27 "Schwarze-Spinnen-Memoranden", so benannt wegen der prinzlichen Handschrift.

Provokative Wortmeldungen

Spekulationen über die Zukunft des Königshauses konzentrieren sich im Allgemeinen auf die jungen Royals William und Kate, die im April ihr zweites Kind erwarten. Doch die Nachfolge der knapp 89-jährigen Elizabeth II wird ohne Zweifel Charles antreten. Schon heute spielt der Prinz von Wales eine zunehmend wichtige Rolle. Anstelle seiner Mutter verleiht Charles häufig Orden, empfängt Botschafter und absolviert Staatsbesuche im Ausland. Anders als Elizabeth in ihren 63 Dienstjahren hat sich Charles schon früh durch provokative Wortmeldungen profiliert. Während die Königin eine gemäßigte Konservative sei, stecke im Prinzen ein "radikaler Grüner", urteilte vor Jahren "The Economist".

Hart zum Personal

Hingegen ist Charles, wenn man Mayers Buch Glauben schenkt, als Personalchef wenig geeignet. Man arbeite in Clarence House "härter als je zuvor in seinem Leben", weiß Elizabeth Buchanan, die frühere Privatsekretärin des Prinzen. Um seine Gunst gebe es brutale Machtkämpfe, schreibt Mayer, zumal Charles Angestellte gerne gegeneinander ausspiele. Der Hof des Thronfolgers trage deshalb den Spitznamen "Wolf Hall", nach dem überaus erfolgreichen Roman der Bestsellerautorin Hilary Mantel, dem Ereignisse am Hofe Heinrichs VIII. (1509–47) zugrunde liegen. (Sebastian Borger aus London, DER STANDARD, 2.2.2015)