Minsk/Kiew/Moskau - Nach einer wochenlangen Gesprächspause, flankiert von heftigen Kämpfen um das ostukrainische Donbass-Gebiet, haben sich am Wochenende endlich wieder Vertreter von Regierung und Rebellen getroffen. Eigentlich sollten die Verhandlungen bereits am Freitag in Minsk beginnen, mussten dann aber verschoben werden, weil sich beide Kriegsparteien nicht darüber einig werden konnten, wer mit wem verhandeln solle. Kiew bemängelte, dass die Separatistenvertreter Denis Puschilin und Wladislaw Dejnego ohne ausreichende Kompetenzen angereist waren.
Die Unfähigkeit zum Kompromiss kennzeichnete dann auch die Gespräche der Kontaktgruppe selbst: Ohne Resultat wurden diese schließlich abgebrochen. In den anschließenden Stellungnahmen beschuldigten sich beide Seiten, ihre Forderungen in ultimativer Form durchsetzen zu wollen.
"Kein Monolog Kiews"
Die Rebellen seien bereit zum Dialog, "aber es muss ein Dialog sein und kein Monolog Kiews", klagte Puschilin. Waleri Tschaly, Berater des ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko, wiederum beschuldigte die Separatisten "ultimative Forderungen" zu stellen und einschüchtern zu wollen, um den Friedensprozess zu unterminieren.
Knackpunkt der Auseinandersetzungen ist die Forderung der Aufständischen, den Frontverlauf neu zu fixieren. Nach einer Reihe von Geländegewinnen, die sie in den letzten Monaten erzielt haben, wollen sie diese in einem neuen Memorandum festschreiben. Ihre Revisionsforderungen begründen die prorussischen Kämpfer mit Sicherheitsbedenken für die umkämpften Großstädte, speziell Donezk. Die ukrainische Führung besteht hingegen darauf, die einmal festgelegte Grenzlinie nicht zu verändern.
Die OSZE machte die Blockadehaltung der Rebellen für das Scheitern der Gespräche verantwortlich. Sie hätten nicht über Feuerpause und Abzug schwerer Waffen verhandelt, sondern neue Forderungen gestellt, kritisierte die Organisation.
Kein neues Treffen geplant
Nach dem Scheitern der Gespräche haben beide Seiten eine Auszeit genommen. Während die als Schutzmacht der Rebellen geltende russische Führung erklärte, es sei noch zu früh für eine Einschätzung des Verhandlungsergebnisses, zeigten die Separatisten kein Interesse an neuen Gesprächen. Ein Sprecher erklärte, er erwarte in der nächsten Zeit keine weiteren Verhandlungen. Poroschenko müsse erst eine einseitige Waffenruhe für Kiewer Truppen ausrufen, ehe es Gespräche geben werde, heißt es.
Derweil setzen auch die Rebellen auf eine militärische Lösung: In der Gegend um die Kleinstadt Debalzewo östlich von Donezk, wo das ukrainische Militär seit dem Sommer einen Brückenkopf hält, haben die Separatisten eine breit angelegte Offensive gestartet, um die ukrainischen Truppen einzukesseln.
Eigenen Angaben zufolge ist ihnen dabei die Einnahme der strategisch wichtigen Stadt Uglegorsk gelungen. Diese Aussagen werden zwar vom nationalen Sicherheitsrat in Kiew dementiert, aber von mehreren ukrainischen Militärs bestätigt. Die Lage in Debalzewo sei kritisch, heißt es. Auch ein Bus mit Zivilisten geriet am Wochenende unter Artilleriefeuer. (André Ballin, DER STANDARD, 2.2.2015)