Den Sämann malte Vincent van Gogh im Laufe seines Lebens immer wieder - hier diente ihm ein Bild Jean-François Millets als Vorbild.


Foto: Van Gogh Museum

Nuenen - "Pa und Mam haben mich genauso gerne wieder bei sich aufgenommen wie einen räudigen Hund. Einen großen wilden Hund, der mit seinen nassen Pfoten alles dreckig macht." Diese Worte schrieb Vincent van Gogh an seinen Bruder Theo, nachdem er im Dezember 1883 wieder bei seinen Eltern Zuflucht gesucht hatte. Er kam aus dem Osten der Niederlande, aus Drenthe, wo er eigentlich Landschaften hatte malen wollen. Doch stattdessen wurde er krank. Ratlos und ohne einen Cent klopfte er am Pfarrhaus seiner Eltern an, die inzwischen in Nuenen bei Eindhoven wohnten.

"Aardappeleter-dorp" wird der kleine Ort auch genannt. Denn dort malte Vincent van Gogh die Kartoffelesser, eines seiner berühmtesten Gemälde. "23 Monate ist er in Nuenen geblieben, so lange wie nirgendwo sonst im Laufe seines Lebens", erzählt Hans Keijzer, der Besucher aus aller Welt auf einem speziellen Van-Gogh-Spaziergang durch Nuenen führt. Gut 20.000 sind es jedes Jahr: "Und 2015 werden es noch mehr werden!"

Denn in diesem Jahr wird unter dem Motto "125 Jahre Inspiration" mit Lesungen und Filmen, Manifestationen und Sonderausstellungen an den 125. Todestag des großen Malers erinnert: in den Niederlanden natürlich, wo er 1853 geboren wurde. In St. Rémy, Arles und Auvers-sur-Oise, wo er 1890 starb. Aber auch in Mons in Belgien, wo ab Ende Januar die Schau Van Gogh im Borinage zu sehen ist, benannt nach der gleichnamigen Bergbauregion, die als van Goghs künstlerische Geburtsstätte gilt: Als Prediger hatte er sich 1879 in dieses Gebiet begeben, um seine eigentliche Bestimmung zu entdecken: die Malerei.

Schwerpunkt Niederlande

Den größten Programmanteil aber bestreiten die Niederländer: Das Kröller-Müller Museum bei Arnheim ehrt den Maler mit einer Ausstellung über seine Zeitgenossen. Und das Amsterdamer Van Gogh Museum konfrontiert ihn Ende September erstmals mit seinem norwegischen Kollegen Edvard Munch. Weil die beiden als Säulen der modernen Kunst gelten, sagt Museumsdirektor Axel Rüger: "Wir wollen die Parallelen und Unterschiede in ihrer Entwicklung aufzeigen. Munch hat deutlich angegeben, dass auch van Gogh eine Inspirationsquelle für ihn war."

Wobei das Museum dann mit einem neuen Eingang aufwarten kann, ganz ohne ellenlange Warteschlangen. Und einer völlig neuen Hängung auf bunten statt wie bisher weißen Wänden. Auch van Goghs Briefe werden nun einbezogen, Fotos sowie persönliche Gegenstände wie seine letzte Palette. Alles, um den Menschen hinter dem Künstler zum Vorschein kommen zu lassen.

Wieder zu Kräften kommt der müde Besucher bei speziellen Van-Gogh-Menüs. Motto: "The Taste of van Gogh". Restaurants im ganzen Land bieten sie an, angefangen bei seinem Geburtsort Zundert an der belgischen Grenze bis hin zum "Aardappeleter"-Dorf Nuenen.

Die Van-Gogh-Spaziergänge, auf denen sich dieses Dorf erkunden lässt, führen zu der kleinen Kirche, in der sein Vater predigte, und dem Friedhof, auf dem der Vater begraben liegt. Zum Pfarrhaus, in dem Vincent mit seinen Eltern lebte, dem Atelier, das er sich mieten konnte, und zur Post, wo er fast täglich Briefe an seinen Bruder Theo abgab. Fast 140 hat er in den knapp zwei Jahren in Nuenen geschrieben - und mehr als 500 Werke geschaffen, "gut ein Viertel seines gesamten Œuvres!" , so Stadtführer Hans Keijzer.

Rückblick im "Vincentre"

Ihre Entstehungsgeschichte kann im Dokumentationszentrum Vincentre nachvollzogen werden, wo Interessierte erfahren, wie Nuenen damals aussah und der Maler hier lebte. Wander- und Radtouren führen zu den Orten, wo Vincent van Gogh einst seine Staffelei aufstellte, etwa um die Wind- und Wassermühlen am Dorfrand zu malen.

Rechtzeitig zum Van-Gogh-Jahr kann Nuenen mit einer Attraktion ganz besonderer Art aufwarten: dem Van-Gogh-Radweg, ein Werk des Niederländers Daan Roosegaarde, der sich selbst "Technikpoesie-Designer" nennt.

Tagsüber sieht sein Radweg aus wie jeder andere auch. Aber sobald es dunkel wird, beginnt er wie von Zauberhand berührt zu schimmern: Hunderttausende speziell entwickelter Glassteinchen, die in den Asphalt eingearbeitet wurden und tagsüber Licht aufsaugen, leuchten dann auf - in den Farben Gelb und Blau. So wie auf dem berühmten Gemälde Sternennacht von Vincent van Gogh. (Kerstin Schweighöfer, DER STANDARD, 2.2.2015)