Starke Marken sind wunderbar. Sie bieten Orientierung, reduzieren gleichermaßen Komplexität wie Risiko und übertragen ihre Strahlkraft via Imagetransfer auf Konsumenten und Mitarbeiterinnen. Letztere werden dann zu Markenbotschaftern ernannt. Vor allem freut sich aber das Management: Starke Marken festigen allseits Loyalität, ermöglichen fokussierte Kommunikation am Absatz- wie am Arbeitsmarkt, rechtfertigen ein Preispremium und steigern langfristig den Unternehmenswert.

Doch für Führung ist Vorsicht angebracht. Starke Marken verführen zu übersteigertem Selbstwertgefühl und nähren die Fantasie der Unverwundbarkeit. Im schlimmsten Fall verstellen sie den Blick auf Kundinnen und auf Veränderungen am Markt.

Vernachlässigter Dialog

In der Praxis zeigt sich die Markenfalle beispielsweise am vernachlässigten Dialog - intern wie extern. Anstelle von Markenkommunikation verpuffen große Etats in breit gestreuter Produktwerbung. Strukturen für Kommunikation mit den Kunden werden vernachlässigt.

Beobachten lässt sich dieses Phänomen beispielsweise an Geldinstituten, die zunehmend die Loyalität von Kundinnen und Mitarbeitern verlieren. Zuvor wurden die persönlichen Kontaktpunkte sukzessive reduziert. Produkte und Services werden zentral und ohne Beteiligung jener Mitarbeiter entwickelt, die nahe am Kunden sind. Die Kundenbeziehung wird auf Basis von Big Data Analysis gestaltet, das Wissen der Mitarbeiterinnen um die Bedürfnisse ihrer Kundinnen wird nicht für die Produktentwicklung genützt.

Verschlafen, versäumt

Die Gefahr dabei ist, dass anhaltende Veränderungen am Markt - oder auch tiefgreifende gesellschaftliche Umwälzungen - zu spät wahrgenommen werden und nicht in Unternehmens-, Produkt- und Servicestrategie einfließen können. Ähnliches gilt für die interne Kommunikation: Erfolgt Internal Branding primär über Hochglanzbroschüren, statt an passender Stelle ein offenes Gespräch über markenadäquates Verhalten zu führen, werden definierte Markenwerte nicht ernst genommen. Nur schwer können Mitarbeiter dann die Verbindung zwischen ihrem Arbeitsalltag - in dem sie im Kontakt mit Kundinnen, Lieferanten und Kolleginnen das Markenversprechen entweder halten oder brechen - und dem Unternehmenserfolg herstellen. Und was Führungskräfte häufig vergessen: Markenführung beinhaltet auch konsequentes Vorleben der definierten Werte.

Starke Marken brauchen beides: stringente und konsequente Markenführung und den offenen Blick auf Veränderungen und Chancen.

Der aktive Dialog mit Konsumentinnen und Mitarbeitern schützt vor allzu blindem Selbstvertrauen und hält starke Marken lebendig. (DER STANDARD, 31.1./1.2.2015)