Nur elf von rund 200 österreichischen Krankenhäusern beteiligen sich derzeit an einem Meldesystem für Infektionen von Patienten mit gefährlichen Clostridium difficile-Keimen. Doch unabdingbar wäre eine ganz andere Maßnahme. "Die Meldung von Spitalsinfektionen sollte generell verpflichtend sein", sagte jetzt der WHO-Hygieneexperte Didier Pittet von der Uniklinik Genf.

"Enorme Last"

Pittet hat ab dem Jahr 2005 für die Weltgesundheitsorganisation das Programm "Clean Care is Safer Care" ins Leben gerufen - ein Maßnahmenprogramm zur Zurückdrängung von sogenannten nosokomialen Infektionen (die erst im Spital im Rahmen der Behandlung erworben werden) und zur Bekämpfung von resistenten Keimen ins Leben gerufen.

"Die Krankheitslast durch Spitalsinfektionen ist enorm. Es gibt weltweit pro Jahr 16 Millionen derartiger Patienten. Allein mit dem Umstellen der Desinfektion vom Händewaschen mit Wasser durch die Anwendung von alkoholischen Desinfektionsmitteln in der Medizinretten wir jährlich acht Millionen Leben", sagte der Wissenschafter.

Große Konsequenzen

Die Möglichkeiten, dass sich Patienten in medizinischen Einrichtungen Infektionen noch zusätzlich zuziehen, ist breit gestreut. Das reicht von der Besiedelung von Kathetern mit Keimen, über Wundinfektionen bei chirurgischen Eingriffen, die Übertragung von Spitalskeimen in Intensivstationen, künstliche Beatmung - bis hin zum Handkontakt mit Pflegepersonal und Ärzten. Im Fall des Falles kann es große Konsequenzen geben.

"Normalerweise geht der Patient fünf Tage nach der Operation nach Hause. Die Infektion macht daraus zwölf Tage", sagt Pittet. Er rechnet im Durchschnitt mit Kosten von rund 3.500 Euro, wobei es Ausreißer von 40 bis 40.000 Euro gibt. "In der Schweiz haben wir auf der Basis von vorsichtigen Studien rund 70.000 Spitalsinfektionen pro Jahr. Das macht Kosten von 350 Millionen Franken (334,35 Mio. Euro)", so der Experte.

Was noch hinzu kommt: Eine nicht perfekte Hygiene und die falsche Anwendung von Antibiotika in den Krankenhäusern und in der Medizin generell führt auch zur Etablierung von resistenten Keimen, bei denen Infektionen besonders schwierig - bis hin zu kaum mehr - behandelbar sind. "Das Problem der Resistenzen ist universell. Wenn man sich die nosokomialen Infektionen ansieht, ist einer von drei Fällen durch resistente Keime bedingt", sagt Pittet.

System der Überwachung

Für den WHO-Hygieneexperten sind alle notwendigen Maßnahmen zur weitgehenden Zurückdrängung von Spitalsinfektionen und zur Bekämpfung von resistenten Keimen vorhanden. Man muss dazu nichts Wesentliches neu "erfinden". "Alle Spitäler benötigen ein System zur Überwachung der Situation. Dafür benötigt man eine speziell ausgebildete Hygiene-Krankenschwester für hundert Betten und für jeweils vier dieser Krankenschwestern eine Hygiene-beauftragten Arzt", so Pittet.

Der zweite Hauptbestandteil müsse die Aufarbeitung der gewonnenen Daten über die Infektionen und Resistenzlage im Krankenhaus und an den einzelnen Abteilungen an die Beschäftigten sein. "Wenn ein Chirurg hört, dass an seiner Abteilung mehr Infektionen auftreten, wird er handeln." Schließlich sollten - unter Gewichtung der Risiko-Population der an den einzelnen Abteilungen behandelten Patienten - "Benchmarks" vergleichbar gemacht werden.

Auch müsse die Meldung der Spitalsinfektionsraten verpflichtend gemacht und veröffentlicht werden. Natürlich müsse man dabei beachten, dass Spitäler und Abteilungen, die überdurchschnittlich viele Mehrfach- und Schwerkranke behandelten, auch höhere Komplikationsraten aufweisen müssen. Doch das könne man statistisch ausbalancieren.

Medialer Druck

Druck durch die Öffentlichkeit könne da sicher hilfreich sein, so Pittet: "In Frankreich hat die Zeitschrift 'Le Point' landesweit die Spitäler angerufen und hat nachgefragt." Da hätte dort die nationale Überwachung auf Spitalsinfektionen erst in Gang gebracht und zur Veröffentlichung der Daten geführt.

Die angeblichen Sparzwänge im Gesundheitswesen können sich auf dem Gebiet der Spitalsinfektionen als für die Patienten höchst gefährlich auswirken. "Wir sind nach einem großen Ausbruch von Clostridium difficile in britischen Spitälern gerufen worden. Es hat sich herausgestellt, dass man dort die Reinigung der Krankenhäuser und das Personal 'ausgelagert' hatte", sagt Pittet. Das hatte zu einer durch Sparwillen bedingten Vernachlässigung der Hygiene geführt und Patienten auch das Leben gekostet.

Niemand in den reichen Staaten der Erde sollte laut Pittet glauben, Spitalsinfektionen und mangelnde Hygiene seien eine Angelegenheit der Dritten und Vierten Welt: "Die Probleme haben alle Staaten, nur kommen in den Entwicklungsländern noch zusätzlich andere Schwierigkeiten hinzu." (APA, derStandard.at, 2.2.2015)