Hollywood hat in jüngster Zeit zwei ganz unterschiedliche Vorstellungen von Grenzen in die Kinos gebracht. Christopher Nolans Interstellar zeigt uns das Bild einer Menschheit, die vor ökologischen Bedrohungen zu flüchten versucht, und ruft damit die Vorstellung einer Grenze als Frontier auf, die sich immer weiter hinausschieben lässt - zukünftig Richtung Weltall. Tommy Lee Jones zeigt in seinem Western Homesman, dass es auch im sehr brutalen und ungemütlichen amerikanischen "wilden" Westen handfeste Grenzen gab, wenn man es mit der Natur zu tun hatte. Die Reise in diesem Film geht denn auch Richtung Osten.

Auch wir müssen die Richtung wechseln. Ein nachhaltiges Leben innerhalb ökologischer Grenzen zu organisieren ist die Herausforderung reicher Gegenwartsgesellschaften. Der deutsche Nachhaltigkeitsforscher Harald Welzer spricht von einer "reduktiven Moderne", die die "expansive Moderne" ablösen müsse. Andere sehen die Notwendigkeit einer "großen Transformation", die eine sozial-ökologische Wende bringe. Die Begriffe deuten an, dass wir es hier nicht mit kleinen Umstellungen zu tun haben, sondern riesengroße Veränderungsprozesse auf uns warten. Eine Wirtschaft, die nicht mehr auf Expansion setzen kann, wird ganz anders "ticken".

Begriffliche Beliebigkeit

Dieser Wandel wird überall wirken - in Wirtschaft und Politik ebenso wie im Konsumverhalten und im Berufsleben. Für die Bildung - auch für die Aus- und Weiterbildung - ist das, gelinde gesagt, eine große Herausforderung. Die Frage ist, wie hilfreich dabei ein hochoffzielles UN-Label wie "Bildung für nachhaltige Entwicklung" sein kann. Stefan Siemer hat schon 2007 in einer brillanten Studie gezeigt, dass dieses Bildungsprogramm sich allzu oft durch begriffliche Beliebigkeit, mangelnden Humor und fehlendes Interesse an Dingen auszeichnet, die jenseits der Nachhaltigkeit liegen. "Bildung für nachhaltige Entwicklung" sei allzu oft nur normativ überladene Reklame für simple Nachhaltigkeitsideen - was es aber brauche, sei Aufklärung.

Was kann das im Jahre 2015 mit Blick auf eine so komplexe Zielsetzung wie die nachhaltige Entwicklung bedeuten? Mindestens dies: Bildung sollte auch Bildung darüber sein, dass diese Welt begrenzt ist und dass dieser Umstand Folgen hat für die Art und Weise, wie wir leben, arbeiten und Wirtschaft treiben - in der Zukunft noch mehr als heute schon. Dafür müssen wir, wie Wolfgang Sachs das einmal formuliert hat, "zählen und erzählen": Daten, Fakten und Informationen sind wichtig - aber eben auch plausible Geschichten des Wandels, attraktive Bilder einer zukunftsfähigen Gesellschaft, anschauliche Metaphern der Nachhaltigkeit.

Relevante Vernetzungen

Nachhaltigkeitsmarketing reicht also nicht: Es geht wesentlich um das Aufzeigen von relevanten Vernetzungen, offenen Fragen, Paradoxien und Komplikationen, die mit dem Wirtschaften in einer endlichen Welt zusammenhängen. Die Relevanz dieser Themen für praktisch alle Lebens- und Wirtschaftsbereiche anschaulich zu machen ist mindestens so wichtig wie die Vermittlung von Wissen über den schlechten Zustand des Klimas, den Verlust an Biodiversität und die wohlstandsbeschränkenden Wirkungen einer beschleunigten Wachstumsgesellschaft. Auch hier gilt: Sich auf die Komplexitäten eines nachhaltigen Wandels einzulassen ist weitaus zielführender, als sich der Verführungskraft einfacher "Lösungen" hinzugeben. (DER STANDARD, 31.1./1.2.2015)