Seit gut zehn Tagen tobt der Irrsinn. Am Sonntagabend fand er seinen vorläufigen Höhepunkt in einer "Im Zentrum"-Diskussion mit dem irreführenden Titel "Integration: Alte Sorgen, Neue Töne". Neu und innovativ tönt es in Österreich, wenn es um Integration und Migranten geht, schon lange nicht mehr. Viel mehr werden immer wieder verstaubte Wortfetzen aus der rechten Ecke geholt.

Doch gehen wir lieber an den Anfang. Die irrwitzigen Vorschläge der Landeshauptmänner der Steiermark (Franz Voves) und des Burgenlands (Hans Niessl), die sich der "Integrationsunwilligen" strafend und ahndend annehmen wollen, wurden von den Medien dankbar angenommen. Der mehr als fragwürdige, schwammige, aber eben schön populistisch knackige Begriff der "Integrationsunwilligkeit" wurde nicht etwa hinterfragt, sondern mit Stammtischbeispielen belebt und so als fixer Bestand der medialen Debatte eingeführt.

Ethnisiertes Schulschwänzen

Den Herren Voves und Niessel ist kein Vorwurf zu machen. Sie haben bald einen Wahlkampf zu führen und greifen bequemlichkeitshalber zu den Mitteln, die man eher vom rechten Rand erwartet. Auch das ist nicht neu. Die Sozialdemokraten versuchen seit einigen Jahren auf dieser Weise ihre Wähler von der FPÖ zurückzuholen. Die Schuldigen sitzen in diesem Fall auf der anderen Seite der Mikrofone und Kameras.

Wo bleiben die kritischen Fragen der Journalisten nach der Definition der "Integrationsunwilligkeit"? Wieso lässt man sich mit dem Beispiel des Vaters, der der Lehrerin die Hand nicht schütteln will, abspeisen? Wieso lässt man zu, dass man das Schulschwänzen allen Ernstes ethnisiert, und fragt nicht nach den Ursachen, die sich im sozialen Milieu vermuten lassen?

Wenn wir jetzt schon "den Scherben aufhaben" und Politikern, die sich selbst weit weg von rechten Rand verorten, zuhören müssen, wie sie innerhalb eines Satzes vom Schulschwänzen zum Jihad kommen, dann sollten wir das Beste draus machen. Seien wir doch gewillt, eine konstruktive Debatte zu führen.

Die besseren Fragen

Nehmen wir den vermeintlichen Vorstoß der Landeshauptmänner zum Anlass, die richtigen Fragen zu stellen. Nämlich jene nach der Kompatibilität unseres Bildungssystems und der Lehrerausbildung mit der Tatsache einer Migrationsgesellschaft.

Sind unsere Lehrer darin geschult, Elternarbeit in einer multikulturellen Klassengemeinschaft zu leisten? Bringt man den Lehramtsstudenten bei, dass auf der Elternseite vielmehr Unwissen, Skepsis, ja auch Angst herrschen und nicht etwa purer Unwille oder gar Ablehnung?

Sprechen wir darüber, wie wir ein Schulsystem gestalten können, in dem nicht der sozioökonomische Hintergrund der Schüler ausschlaggebend für ihr Fortkommen ist. Beraten wir darüber, wie wir Mädchen und Buben aus migrantischen Familien darin bestärkt, die eigene, postmigrantische Identität zu stärken und sie nicht zum Kollateralschaden verfehlter Integrationspolitik werden lassen.

Die Fragen nach den Strafen und Sanktion lassen wir lieber beiseite. Die Vorschläge von Voves und Niessl haben keine sachliche Debatte verdient. (Olivera Stajic, 3.2.2015, daStandard.at)