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Dominique Strauss-Kahn gibt sich in Lille medienscheu.

Foto: REUTERS/Pascal Rossignol

300 Medienleute warteten vor dem Justizpalast von Lille bei teils stundenlangen Liveschaltungen auf den "Festkönig". So nennt die Staatsanwaltschaft Dominique Strauss-Kahn, als käme er aus einem mittelalterlichen Totentanz. Etwas angespannt, aber eine Hand locker in der Hosentasche, betrat "DSK" den Gerichtssaal. Jetzt waren die dreizehn übrigen Angeklagten nur noch Statisten. All diese Unternehmer, Hotelmanager und Polizisten organisierten für ihn Sexpartys. Jetzt müssen sie sich wegen "schwerer Zuhälterei" verantworten. Das ist nach französischem Strafrecht gegeben, wenn Prostituierte "unterstützt, assistiert oder geschützt" werden. DSK wird dieser Tatbestand in sieben Fällen vorgehalten, erklärte der Richter am Montagnachmittag.

In der Ermittlung hatten Callgirls, aber auch monatelange Telefonabhöraktionen Einblick in diverse Orgien in Lille, Paris, aber auch Washington gegeben. Dort leitete Strauss-Kahn den Internationalen Währungsfonds (IWF), bevor ihn eine New Yorker Hotelangestellte 2011 der Vergewaltigung bezichtigte und er seinen Job und seine Hoffnungen auf das Amt des französischen Staatspräsidenten aufgeben musste.

DSK stellt sich auf den Standpunkt, er habe nicht gewusst, dass die Prostituierten Prostituierte waren. In der Voruntersuchung erklärte er, er habe gemeint, es seien Freundinnen seiner Freunde. An dem dreiwöchigen Prozess tritt aber auch ein Escortgirl mit dem Arbeitsnamen Jade auf, das die Ermittler aufklärte, bei den Treffen sei es nicht um Paartausch gegangen; vielmehr habe sich der Festkönig allein mit sieben oder acht Frauen vergnügt.

Politischer Hintergrund

Wenn der Gerichtsfall so hohe Wellen schlägt, hat das auch politische Gründe. Gemäß Umfragen glauben vier Fünftel der Franzosen, Strauss-Kahn wäre mit der Wirtschaftskrise besser fertig geworden als sein sozialistischer Parteifreund François Hollande. "Le Monde" meint, die "Strauss-Kahnie" bleibe in Paris über ihre ökonomischen Thesen so präsent wie über ihre Gefolgsleute.

Zu ihnen gehören ein EU-Wirtschaftskommissar (Pierre Moscovici), Minister (wie Jean-Marie Le Guen), Abgeordnete (wie Christophe Borgel) oder der Chef des Parti Socialiste, Jean-Christophe Cambadélis. Nur ihr Vordenker ist derzeit nicht mehr salonfähig. Eine Verurteilung würde alle Comebackpläne vereiteln. Ein Freispruch könnte hingegen auf die Präsidentschaftswahlen 2017 einwirken: Präsident Hollande oder – subsidiär – Premier Manuel Valls hätten einen Schatten über sich. (Stefan Brändle aus Paris, DER STANDARD, 3.2.2015)