Noch schlimmer als die Gegner in den anderen Parteien sind eigentlich nur die Kollegen in der eigenen Gesinnungsgemeinschaft, die sogenannten Parteifreunde, bei den Sozialdemokraten Genossen genannt. Da heuer ein wichtiges Wahljahr ist und in vier Bundesländern abgestimmt werden wird, immerhin sind 4,6 Millionen Menschen wahlberechtigt, bringen sich die Genossen schon einmal vorsorglich in Stellung - in erster Linie gegeneinander.

Die Integrationsdebatte wird in der SPÖ hauptsächlich parteiintern geführt - einer gegen den anderen. Nicht gegen die FPÖ, wo es in dieser Frage ein breites Betätigungsfeld zur Argumentation, zur Klarstellung, zur Auseinandersetzung, meinetwegen auch zum Abreagieren gäbe. Auch nicht gegen den lieben Koalitionspartner ÖVP, der dieses thematische Steckenpferd ja auch mit Inbrunst reitet, wenn es denn vom Wahlkalender her gut in die Agenda passt. Die SPÖ haut sich lieber selbst eine in die Goschen.

Wien gegen die Steiermark, das ist Brutalität. Wiens Bürgermeister Michael Häupl maßregelt den steirischen Landeshauptmann Franz Voves, den er in eine Reihe mit der Pegida stellt. Mit Verlaub: So blöd kann Voves gar nicht argumentieren, dass er sich diesen Vergleich verdient hätte.

Beide wählen ja heuer, und Häupl und Voves erwecken den Eindruck, als träten sie gegeneinander an, obwohl das gar nicht der Fall ist. In dem Schlamm, den die Parteigranden anrühren, wühlen freudig erregt die Parteijugendlichen, die den Onkels (die Tanten halten sich derzeit noch heraus) gleich einmal Rassismus und Fremdenfeindlichkeit vorwerfen.

So schreitet die Debatte in der SPÖ munter voran, der Sache selbst, wie man sie auch sehen will, ist damit nicht gedient. Eine konstruktive Handlungsanleitung, wie man Integration besser befördern könnte und wie man sich den sogenannten "Integrationsunwilligen" annähern könnte, lässt sich daraus nicht ableiten, weder aus der Argumentation derer, die nach Strenge und Strafe rufen, noch aus dem Dagegenhalten jener, die das schlicht für Rassismus halten. So führt man keine Debatte. So beschädigt man lediglich sich selbst.

Und Werner Faymann tut das, was er am besten kann: Er hält sich heraus. Tut so, als gehe ihn das nichts an.

Dabei könnte Faymann als Kanzler und SPÖ-Chef mittelbar der Hauptbetroffene jener Debattenunkultur sein, die seine Partei derzeit praktiziert, wenn er nämlich beides nicht mehr ist. Fährt die SPÖ bei allen vier Landtagswahlen - in Wien, Oberösterreich, der Steiermark und im Burgenland - Verluste ein, und das scheint aus jetziger Sicht gar nicht so unwahrscheinlich zu sein, dann wird Faymann als Kanzler und Parteichef Geschichte sein. Wenigstens darauf werden sich Voves und Häupl rasch verständigt haben - so sie selbst dazu noch in der Lage sein werden.

Einen Nachfolger für Faymann glaubt man in der SPÖ schon an der Hand zu haben: Christian Kern, Chef der ÖBB. Der wird gerade inniglich von Voves umarmt, vielleicht um eine Spur zu fest, als dass er das bis zum Herbst politisch überleben könnte.

Kern steht immerhin zu seiner Freundschaft mit Voves, sonst wäre er "wohl eines der größten Weicheier unter der Sonne", wie er selbst auf Facebook offenherzig versichert. Was Faymann zu defensiv ist, ist Kern zu offensiv. Vielleicht gibt es zwischen diesen beiden noch eine Alternative. Häupl brütet sicher schon über dieser. (Michael Völker, DER STANDARD, 3.2.2015)