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158.000 Tonnen Essen landen in Österreich jährlich im Müll - allein in den Haushalten. Für Handel und Gastronomie gibt es keine Daten.

Foto: APA/dpa / Patrick Pleul

Wien - Die Wiener werfen jeden Tag so viel Brot weg, wie in Graz gegessen wird. Wer den Film We Feed the World gesehen hat, vergisst diesen Vergleich nicht mehr so schnell. Dass nicht dermaßen viel Brot weggeworfen werden sollte, dachte sich die Designerin Kathrina Dankl und entwickelte kürzlich gemeinsam mit der Wiener Bäckerei Felzl und mit Unterstützung der Wirtschaftsagentur Wien das Projekt "I love Brot". Das Ziel des Projekts: Lösungen zu entwickeln, die dabei helfen, die täglich weggeworfene Brotmenge zumindest zu reduzieren.

"Wir wollten dabei nicht nur soziale und ökologische Ansprüche befriedigen, sondern auch wirtschaftliche. Außerdem sollten die entwickelten Maßnahmen praktikabel sein", sagt Dankl. Am Beginn des Projekts stand eine Maßnahme zur Bewusstseinsbildung und Dokumentation - das sogenannte Brot-Tagebuch.

Kunden der Bäckerei zeichneten darin jeweils über einen Zeitraum von einer Woche sowohl Backwarenkauf und Konsum sowie ihr eigenes Abfallverhalten auf. Die Erkenntnisse daraus wurden direkt für die Maßnahmenfindungsphase verwendet.

Erster Brotautomat

Aus den vielen Ideen, die dabei geboren wurden, gibt es mittlerweile zwei Umsetzungen: So steht in der Schottenfeldgasse 88 der erste Brotautomat Wiens. Er liefert nachts, nachdem die klassischen Geschäfte bereits geschlossen haben, Brot und Gebäck für hungrige Nachtschwärmer. Befüllt wird der Automat mit Produkten, die tagsüber nicht verkauft werden konnten. "Der Brotautomat verzeichnet aktuell bis zu 40 Entnahmen pro Nacht", sagt Dankl.

Eine zweite Maßnahme, die umgesetzt wurde, sind Brotchips, die in diesem Fall so genannten "Felzolini". Auch die Chips, die es in unterschiedlichen Geschmacksrichtungen gibt, werden aus verschiedensten Brotsorten hergestellt, die am Tag keine Abnehmer fanden. Die Brotchips wurden in der Zwischenzeit mit Unterstützung von Lebensmitteltechnologen der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien zur Serienreife weiterentwickelt.

Es gibt aktuell gar nicht so wenige Projekte, die sich mit diesem Thema intensiv beschäftigen und einen Beitrag dazu leisten, den Essensabfallberg zu verringern. Dazu gehören Onlinetauschbörsen für nicht mehr benötigte Lebensmittel ebenso wie verschiedenste Nachhaltigkeitsinitiativen von Städten und Nationalstaaten. Doch so lobenswert jede einzelne dieser Aktionen ist - noch ist das nicht viel mehr als der Tropfen auf dem heißen Stein.

1,3 Milliarden Tonnen an Lebensmitteln werden jedes Jahr weltweit weggeworfen - das entspricht etwa einem Drittel aller produzierten Nahrungsmittel. Das ergab die Studie "Global food losses and food waste" der FAO (Food and Agriculture Organization of the United Nations, Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen) aus dem Jahr 2011.

Interessant dabei ist, dass sich laut Studie der Verlust etwa zu gleichen Teilen auf Industrie- und Entwicklungsländer aufteilt - aber aus unterschiedlichen Gründen: Während in Europa die Haushalte den Hauptabfall verursachen, indem sie zu einem großen Teil noch genießbare Lebensmittel wegwerfen, sind der Grund für den Ausfall in Afrika beispielsweise Probleme nach der Ernte bei Lagerung und Kühlung.

In der Europäischen Union werden jedes Jahr 89 Millionen Tonnen an Lebensmitteln entsorgt, das entspricht einem Pro-Kopf-Durchschnitt von 179 Kilogramm.

158.000 Tonnen Essensabfälle

Für Österreich kommen die Autorinnen Felicitas Schneider und Marion Huber-Humer in einer Untersuchung für die Boku aus dem Jahr 2014 auf 158.000 Tonnen an genießbarem Essen, das im Abfall landet. Und das nur in den Haushalten - für Landwirtschaft, Verarbeitung, Groß- und Einzelhandel sowie Gastronomie gibt es für Österreich noch keine Daten. Der Grund für den Lebensmittelabfallberg liegt laut den Autorinnen in den Industriestaaten an den "überzogenen Ansprüchen in Bezug auf Hygiene, Aussehen und Frische der Produkte".

"Andererseits hungern weltweit rund 870 Millionen Menschen, selbst in Industriestaaten gibt es Menschen, die sich keine ausreichende Versorgung mit Lebensmitteln leisten können", machen die Autorinnen das Ausmaß des Problems bewusst. Und sie stellen fest: "Es ist klar, dass die Menschheit derzeit nicht mit einem Produktionsproblem, sondern vielmehr mit Ineffizienz und Verteilungsschwierigkeiten konfrontiert ist." (Armin Fluch, DER STANDARD, 4.2.2015)