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Bis zum Jahr 2016 wollen Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) und Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP, rechts) die Qualität in den Kindergärten österreichweit mit einem neuen Rahmenplan vereinheitlichen

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Wien - Im Zuge der Debatte über die "Integrationsfähigkeit" hatten unter anderen Bundeskanzler Werner Faymann, Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl und Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (alle sPÖ) einmal mehr - entsprechend dem Regierungsprogramm - die Einführung eines zweiten verpflichtenden Kindergartenjahres gefordert. Dieses soll die Bildungschancen für alle verbessern. Bildungsexpertinnen bemängeln allerdings die Umsetzung des bereits existierenden Pflichtkindergartenjahres.

Birgit Hartel, wissenschaftliche Leiterin des Charlotte-Bühler-Instituts für praxisorientierte Kleinkindforschung, kritisiert im Gespräch mit dem STANDARD, dass der seit fünf Jahren für alle Kindergärten in Österreich geltende Bildungsrahmenplan mitunter nur unzureichend umgesetzt werde. "Der Plan wurde nicht in allen Bundesländern im gleichen Ausmaß eingeführt", sagt Hartel.

Evaluierung ausgeblieben

Die Mitautorin des Bildungsrahmenplanes moniert, dass es etwa keine Vorgaben gibt, in welchem Umfang Kindergartenpädagoginnen sich zum Zwecke der Umsetzung des Rahmenplanes fortbilden müssen. Jedes Bundesland und zum Teil jede Einrichtung könne das nach eigenem Ermessen regeln. Eine fundierte Evaluierung seitens der Politik sei bisher ausgeblieben.

In einzelnen Bundesländern würden Pädagoginnen unterschiedliche Rahmenbedingungen vorfinden, beispielsweise was die Vorbereitungszeit betrifft. Aber auch innerhalb einzelner Bundesländer ortet Hartel krasse Unterschiede was die pädagogische Qualität betrifft. Vor allem in Wien sei angesichts des "Wildwuchses" an Kindergruppen, deren Personal mitunter nicht ausreichend ausgebildet sei, fraglich, ob die Bildungsqualität durchgehend gewährleistet werden kann.

"Ein zweites Kindergartenjahr einzuführen, ohne ausreichende pädagogische Qualität für alle Kindergartenkinder sicherzustellen, wäre grob fahrlässig", sagt Hartel. Denn ein verpflichtendes Kindergartenjahr könne nur dann Outcomes bilden, wenn dafür gesorgt wird, dass dort hohe Qualität geboten wird.

Kompetenzstreit

Einer Qualitätsverbesserung wäre es dienlich, wenn sämtliche Kindergartenagenden von Länderkompetenz in Bundeskompetenz, und zwar ins Bildungsministerium wandern, sagt Heidemarie Lex-Nalis von der Elementarpädagogikplattform Educare, im Gespräch mit dem STANDARD. "Derzeit bleibt es letztendlich dem Bürgermeister zu beurteilen, ob pädagogische Kriterien eingehalten werden", sagt Lex-Nalis.

Aus dem Büro von Familienministerin Sophie Karmasin heißt es, man halte am aktuellen Modell fest, Kindergärten sollen weiterhin Länderkompetenz bleiben. Für Ende des Jahres 2016 stellen sowohl Karmasin als auch Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek einen "bundesweiten Rahmenplan für Qualität in der Kinderpädagogik" in Aussicht. Bei der Forderung nach einem zweiten Pflichtjahr gilt es zu beachten, dass bereits jetzt die Betreuungsquote der Vierjährigen österreichweit relativ hoch ist.

Schlusslicht Wien

So besuchten im Jahr 2013/2014 95,8 Prozent der Fünfjährigen und 94,2 Prozent der Vierjährigen den Kindergarten. Wien bildete mit 88,3 Prozent bei den Vierjährigen das Schlusslicht. In Oberösterreich liegt die Betreuungsquote der Vierjährigen aktuell bei 98 Prozent. Bildungslandesrätin Doris Hummer (ÖVP) hält von der Einführung eines zweiten Pflichtjahres mit Verweis auf die ohnehin hohen Besuchsquoten nichts. Mit der Ausweitung der Pflicht würde für die Eltern zudem der Freiraum eingeschränkt. In Salzburg wäre schon das erste verpflichtende Kindergartenjahr nicht notwendig gewesen, denn schon vorher gingen fast alle Fünfjährigen in den Kindergarten, heißt es aus dem Büro der zuständigen Landesrätin Martina Berthold (Grüne). In Tirol werden 98 Prozent der Vierjährigen im Kindergarten betreut. In Vorarlberg gehen 97 Prozent der Vierjährigen in den Kindergarten. Ein zweites verpflichtendes Jahr brauche man nicht, sagt Landesrätin Bernadette Mennel (VP).

Übertroffen wird Betreuungsquote nur im Burgenland: "Praktisch 100 Prozent" aller Burgenländer und Burgenländerinnen zwischen drei und sechs Jahren gehen in einen Kindergarten, heißt es im Büro der zuständigen Landesrätin Verena Dunst (SPÖ). (burg, jub, ruep, skh, mika, wei, DER STANDARD, 4.2.2015)