Großbritannien bereitet eine neue Anwendung der Stammzellforschung vor. Zur Vermeidung behinderter Kinder befürworten Regierung und Wissenschaftsrat die Verwendung genetischen Materials von drei Menschen. Dadurch könnte verhindert werden, dass potenzielle Mütter einen Gendefekt an ihr Baby vererben. Wissenschafter und Patientinnen verweisen auf die großen Fortschritte der schon bisher liberal gehandhabten Stammzelltherapien. Gegner befürchten den ersten Schritt zum Designerbaby.

Vor der Abstimmung im Unterhaus haben die britischen Medien ausführlich die Opfer defekter Mitochondrien zu Wort kommen lassen. Diese Zellorganellen mit eigener Erbsubstanz gelten als Batterien der Zellen im menschlichen Körper. Funktionieren sie nicht richtig, kommt es zu Muskelschwund, Gehirnschäden oder Herzfehlern. Viele Kinder werden tot geboren oder überleben die Geburt nur um wenige Tage.

Ein Team von Wissenschaftern der Uni Newcastle unter Leitung von Professor Doug Turnbull hat eine Technik entwickelt, um dies zu verhindern. Dabei werden einer befruchteten oder unbefruchteten Eizelle die beschädigten Mitochondrien entnommen und durch gesunde Zellen einer Spender-Eizelle ersetzt. Rund 0,1 Prozent der DNA des Embryos stammen dann von der "Zweitmutter", die Veränderung wird auch an die nächsten Generationen weitergegeben.

In den USA schon erlaubt

Aber Größe, Augenfarbe, Intelligenz und Musikalität des zukünftigen Kindes blieben unverändert, beteuert Gillian Lockwood, ärztliche Leiterin der Midland-Fertility-Klinik in Tamworth bei Birmingham.

Gleichzeitig weisen Befürworter darauf hin, dass die Veränderung von Mitochondrien in den USA schon erlaubt sei. Die Briten fürchten, ihre Spitzenstellung in der Stammzellforschung zu verlieren. Bei der Abstimmung im Parlament setzten sich die Befürworter mit 382 zu 128 Stimmen durch. (Sebastian Borger aus London, DER STANDARD, 4.2.2015)