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Prekäre Schaukelpolitik: Viktor Orbán (li.) vor einem Jahr bei Wladimir Putin im russischen Präsidentensitz nahe Moskau.

Foto: EPA / Gunejewiria / Ria Nowosti

Der Besuch der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel am Montag in Budapest weckte hohe Erwartungen. Der Gastgeber, der nationalpopulistische Regierungschef Viktor Orbán, wollte sich und der Welt demonstrieren, dass ihn auf dem internationalen Parkett keine gläserne Quarantäne umfängt. Die Opposition, Bürgerrechtler und andere Regierungskritiker erhofften sich von der Besucherin, dass sie Orbán kräftig die Leviten lesen würde.

Letztlich gab es für jeden etwas. Orbán konnte für sich verbuchen, dass Merkel zum ersten Mal seit seinem Regierungsantritt 2010 zu ihm reiste. Es gab volles Protokoll, Konvois mit Blaulicht-Eskorte, halb Budapest war abgesperrt. Und es gab eine Berliner Kanzlerin, die ihrem Gastgeber bescheinigte: "Viktor Orbán ist ein Ministerpräsident, ein Kollege, der durchaus Kompromisse schließt für das einige Europa." Trotz einer gewissen Anlehnung an Moskau hat Ungarn die Sanktionen gegen Russland bisher mitgetragen, wollte sie damit sagen.

Es gab aber auch eine Angela Merkel, die offenbarte, welche Welten zwischen ihrem Demokratieverständnis und jenem Orbáns liegen. Der eisigste Moment der Pressekonferenz kam, als der Wiener Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Merkel fragte, wie sich das von Orbán ausgerufene Programm der "illiberalen Demokratie" mit den Prinzipien der konservativen Parteienfamilie EVP vertrage, der die CDU und Orbáns Fidesz angehören. "Ich persönlich kann mit dem Begriff illiberal im Zusammenhang mit Demokratie nichts anfangen", sagte sie unumwunden. Die Wurzeln der Demokratie seien für sie immer auch liberale. Orbán quittierte es mit steinerner Miene. "Nicht jede Demokratie ist notwendigerweise liberal", konterte er.

Vor Studenten der deutschsprachigen Andrássy-Universität blieb Merkel weiter deutlich. Zivilorganisationen mit grenzüberschreitender Finanzierung seien "keine ausländischen Agenten". Der Umgang mit der Verfassung müsse "auf Konsens ausgerichtet sein" - eine Vorstellung, die Orbán mit seiner Zweidrittelmehrheit im Parlament ignoriert.

Primär ging es aber Merkel um die Aufrechterhaltung der geschlossenen Haltung der Europäer zum Ukraine-Krieg und den Sanktionen gegen Russland. Zu einer etwaigen Verlängerung der Sanktionen äußerte sich Orbán am Montag nicht. Pikanterweise empfängt er am 17. Februar den russischen Präsidenten Wladimir Putin in Budapest. Orbáns Schaukelpolitik zwischen Russland und den westlichen Bündnissen, denen das Land angehört, scheint immer prekärer zu werden.

Innenpolitisch dürften Merkels Mahnungen nicht viel ausrichten. Heute, Mittwoch, beginnt im nordungarischen Mezökövesd die jährliche Klausur der Fidesz-Fraktion. Deren Chef Antal Rogán will einen "Aktionsplan zum Schutz des Landes" präsentieren. Zuletzt wurde gemunkelt, dass dieser nach russischem Vorbild die Brandmarkung kritischer Zivilvereine als "ausländische Agenten" enthalten könnte. Es gehe um die Unterbindung von "Destabilisierungsversuchen" aus dem Ausland, hieß es in der Fidesz-Presse. (Gregor Mayer aus Budapest, DER STANDARD, 4.2.2015)