Brüssel/Athen/Frankfurt - Griechenlands Regierungsspitze setzt ihre Tour durch Europa fort. Regierungschef Alexis Tsipras traf am Mittwoch in Brüssel EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker, Ratspräsident Donald Tusk und Parlamentspräsident Martin Schulz. Nach den Gesprächen zeigte sich Tsipras optimistisch über eine Einigung im Schuldenstreit.
Die Geschichte der EU sei zwar eine der Meinungsverschiedenheiten, aber am Ende stehe immer ein Kompromiss, sagte Tsipras. Er arbeite mit den EU-Vertretern derzeit an einem solchen Kompromiss. "Wir haben zwar natürlich noch keine Einigung, aber wir sind auf einem guten Weg, eine brauchbare Einigung zu finden." Griechenland werde die EU-Regeln respektieren.
Schulz meinte nach dem Treffen, er sei "sehr optimistisch, dass die Eurogruppe, die EU und die griechische Regierung für das gleiche Ziel kämpfen". Ebenso wie Juncker äußerte sich auch Ratspräsident Tusk nach seinem Treffen mit Tsipras nicht näher zum Inhalt der Gespräche. Nur so viel: Das Gespräch mit Tsipras sei "offen und ehrlich" gewesen, erklärte Tusk. Er erwartet nun schwierige Verhandlungen der Euro-Finanzminister.
Ebenfalls am Mittwoch traf Tsipras dann noch in Paris auf Frankreichs Präsident Francois Hollande. Von Frankreich erwartet sich Tsipras, dass es einen Wandel in der EU hin zu einer wachstumsfreundlicheren Politik anfüht. "Wir brauchen eine neue Vereinbarung für eine Rückkehr zum Wachstum, für die Stärkung der Beschäftigung und des sozialen Zusammenhalts", sagte Tsipras und betonte: "Bei dieser Anstrengung brauchen wir vor allem Frankreich, das eine maßgebliche Rolle als Garant spielen muss."
Hollande antwortete, jetzt sei "Respekt" nötig für den Ausgang der Wahl in Griechenland. Das Votum des griechischen Volkes sei eine klare Absage an eine strikte "Austeritäts"-Politik "als einzige Perspektive und Realität". Zugleich sei aber auch Respekt für die europäischen Regeln und die Zusagen im Bezug auf Staatsschulden nötig. Hollande betonte auch die "Verantwortung" für die gemeinsame Währung Euro.
Finanzminister bei Draghi
Auf Tour quer durch Europa ist auch der neue Finanzminister Yiannis Varoufakis. Er sprach am Mittwoch mit dem Chef der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, über eine Lösung. "Wir hatten ein fruchtbares Gespräch", sagte Varoufakis nach dem Treffen in Frankfurt. Das von seiner Regierung abgelehnte Sparprogramm habe eine Deflationskrise in Griechenland angeheizt. Er habe daher die Botschaft übermittelt, dass es nicht so weitergehen könne. Im Interview mit der Wochenzeitung "Die Zeit" wünscht sich Varoufakis von Deutschland einen "Merkel-Plan". "Deutschland ist das mächtigste Land Europas", so Varoufakis und müsse deshalb auch "Verantwortung übernehmen für andere".
Die USA hätten nach dem Zweiten Weltkrieg auch in diesem Sinne Verantwortung übernommen. "Ich stelle mir einen Merkel-Plan vor, nach dem Vorbild des Marshall-Plans. Deutschland würde seine Kraft nutzen, um Europa zu vereinigen. Das wäre ein wundervolles Vermächtnis der deutschen Bundeskanzlerin."
Zugleich bat Varoufakis um Verständnis für den Kurswechsel seines Landes. "Hören Sie sich an, was wir zu sagen haben, und lassen Sie uns dann unvoreingenommen darüber diskutieren." Zugleich versicherte er, Griechenland wolle nicht zu der Schuldenpolitik der Vergangenheit zurückkehren. "Griechenland wird - abzüglich der Zinsausgaben - nie wieder ein Haushaltsdefizit vorlegen. Nie, nie, nie!"
Am Donnerstag ist noch ein Gespräch zwischen Varoufakis und dem deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble geplant.
Widerstand bei EZB
Die neue griechische Regierung lehnt die Spar- und Reformauflagen der Geldgeber ab, die das Land mit Milliardenkrediten seit Jahren vor der Pleite bewahren. Mit seinen kurzfristigen Plänen zur Geldbeschaffung stößt Griechenland allerdings auf Widerstand der EZB. Diese sei dagegen, dass das hochverschuldete Land Geldmarktpapiere im Volumen von zehn Milliarden Euro auf den Markt bringe, um die kommenden drei Monate zu überbrücken, berichtete die "Financial Times" unter Berufung auf mit der Angelegenheit vertraute Personen.
Demnach will die EZB "mit harten Bandagen kämpfen". Damit bestehe die Gefahr, dass Griechenland nach Auslaufen des Hilfsprogramms Ende des Monats innerhalb weniger Wochen das Geld ausgeht.
Varoufakis kündigt Ende des Schuldenmachens an
Finanzminister Varoufakis hat unterdessen ein Ende des Schuldenmachens versprochen. "Griechenland wird – abzüglich der Zinsausgaben – nie wieder ein Haushaltsdefizit vorlegen. Nie, nie, nie!", sagte er der deutschen Wochenzeitung "Die Zeit". Auch in Russland werde Griechenland nicht um Geld bitten. "Wir werden niemals in Moskau um Finanzhilfe nachsuchen", sagte Varoufakis, versicherte aber, dass die Regierung Reformen umsetzen wolle. Er habe die OECD gebeten, Griechenland dabei zu helfen, "ein Reformprogramm zusammenzustellen". Deutschland müsse dabei verstehen, dass es keine Abkehr vom Reformkurs bedeute, "wenn wir einem Rentner, der von 300 Euro im Monat lebt, zusätzlich 300 Euro im Jahr geben", sagte er. "Wenn wir von Reformen sprechen, dann sollten wir über Kartelle reden, über reiche Griechen, die kaum Steuern bezahlen."
Merkel sieht keine Spaltung der Eurozone
Bundeskanzlerin Angela Merkel, sagte am Mittwoch, sie sehe keine Gefahr einer Spaltung der Eurozone in der Griechenland-Politik. "Ich glaube nicht, dass sich die Positionen der Mitgliedstaaten des Euroraums gegenüber Griechenland unterscheiden, jedenfalls was die Substanz angeht."
Sie habe sich sowohl mit dem französischen Präsidenten Francois Hollande als auch mit dem italienischen Ministerpräsidenten Matteo Renzi abgesprochen. Zugleich forderte Merkel die neue griechische Regierung auf, konkrete Vorschläge vorzulegen, wie das Land angesichts seiner schwierigen Finanzlage weiter vorgehen wolle. "Ich freue mich auf das Treffen nächste Woche auf dem EU-Rat mit Herrn Tsipras", sagte sie auf die Frage, wann sie den neuen griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras treffen werde. Regierungssprecher Steffen Seibert ergänzte danach, "die deutschen Überzeugungen haben sich auch in den letzten Tagen nicht verändert". Und der Sprecher von Finanzminister Wolfgang Schäuble ließ wissen: "Ein Schuldenschnitt oder eine Schuldenkonferenz sind für die Bundesregierung kein Thema." Und in der Troika-Frage kommuniziert er für den Minister: Es sei eine "absolute Selbstverständlichkeit" zu überprüfen, ob ein Land die zugesagten Gegenleistungen für Hilfen erbracht habe.
Schelling wartet ab
Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) will die in Medien kolportierten Ideen Griechenlands zu einer Umschuldung noch nicht kommentieren. Man werde auf offizielle Vorschläge aus Athen warten, sagte ein Sprecher des Finanzministers am Mittwoch der APA. Über eine mögliche Lösung müsse in der Eurogruppe diskutiert werden.
Ein erstes Treffen aller Gläubigerstaaten und Griechenlands seit der Parlamentswahl am 25. Jänner, mit der die Linkspartei Syriza an die Macht kam, dürfte es bei einer Sondersitzung der Eurogruppe in Brüssel nächster Woche geben. Ein Treffen werde vorbereitet, hieß es in Brüssel und Wien am Mittwoch. Die Finanzminister der EU-Staaten bereiten damit einen Gipfel der Staats- und Regierungschefs nächsten Donnerstag vor, bei dem es um Griechenland gehen wird. (APA, red, 4.2.2015)