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Die Ermordung des Piloten könnte das Land kurzfristig einen, sagt Politologe Bank.

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Der Vater des Ermordeten (Mitte) fordert Härte gegen die IS-Milizen.

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König Abdullah (links) weilt derzeit in den USA.

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derStandard.at: Wenige Stunden nach Veröffentlichung eines Video, das die Ermordung des jordanischen Kampfpiloten Mouath al-Kasaesbeh durch Terroristen des "Islamischen Staates" (IS) zeigt, ließ das jordanische Regime zwei verurteilte Jihadisten hinrichten, darunter eine Frau. Was verspricht sich die Regierung davon?

André Bank: Zunächst möchte sie damit dem Wunsch weiter Teile der Bevölkerung nach einer schnellen Rache entgegenkommen. In Jordanien gibt es einen stark ausgeprägten Nationalismus und eine große Loyalität gegenüber den Streitkräften und dem Königshaus, gerade unter den Transjordaniern im Süden, von wo Kasaesbeh stammt. Darüber hinaus sind die Hinrichtungen auch ein Signal an die IS, dass Jordanien mit harter Hand auf den Mord reagiert.

derStandard.at: Wie denkt die jordanische Bevölkerung über den Militäreinsatz gegen die IS?

Bank: Die Stimmung ist durchaus ambivalent. Es gab starke Kritik an der Beteiligung Jordaniens an der Koalition, auch deshalb, weil sie der traditionellen Neutralität des Landes in der Region widerspricht. Zweitens wird befürchtet, dass ein zu starkes Engagement zu Anschlägen in Jordanien führt. Einige Jordanier nehmen den von den USA angeführten Kampf gegen die IS zudem als Kampf gegen den Islam wahr. Kurzfristig dürfte die martialische Tötung Kasaesbehs aber dazu führen, dass ihm die Sympathien der meisten Jordanier sicher sind. Das Königshaus wird sicherlich versuchen, diese Stimmung zu nutzen, um die Jordanier wieder stärker auf den Kampf gegen die IS einzuschwören. Mittelfristig werden die Widersprüche aber wieder aufbrechen.

derStandard.at: Warum beteiligt sich Jordanien an der Anti-IS-Koalition?

Bank: König Abdullah orientiert sich politisch seit dem Arabischen Frühling deutlich stärker an den arabischen Golfmonarchien als früher. Finanziell ist das Regime von seinen Sponsoren am Golf abhängig. Vor allem Saudi-Arabien hat Druck auf Jordanien ausgeübt, sich militärisch zu beteiligen, aber auch die USA. Zudem verfügt Jordanien über eine der bestgerüsteten und -ausgebildeten Truppen in der Region, man ist also viel besser imstande, gegen die IS vorzugehen, als viele Armeen der Golfstaaten. Für viele transjordanische, also schon vor 1948 hier ansässige Familien – so jene der ermordeten Geisel – ist die Armee der Aufstiegskanal in der Gesellschaft und der Politik.

derStandard.at: Warum sind diese Stammesfamilien so bedeutsam für das Königshaus?

Bank: Die regierenden Haschemiten sind ursprünglich keine Jordanier, sondern stammen aus dem Westen Saudi-Arabiens. In den Stammesfamilien haben sie seit den Zeiten des Emirats in den 20er-Jahren ihre traditionellen Verbündeten im Land, viel mehr als etwa die eingewanderten Palästinenser und die anderen Einwanderer, die die jordanische Gesellschaft prägen. Über die Kanäle Militär und Staatsbürokratie werden diese Familien seit jeher für ihre Loyalität belohnt. Es gibt aber auch innerhalb dieser Stämme deutliche Widersprüche. So hat etwa die wichtigste Protestbewegung des Arabischen Frühlings in Jordanien ihren Ausgang in ebendiesen Städten genommen. Transjordanische Jugendliche aus dem Süden sind genauso unzufrieden mit ihrer Situation und ihren Perspektiven, auch dort herrscht eine grassierende Arbeitslosigkeit. Eine gewichtige Gruppe der jordanischen Jihadisten kommt ebenfalls aus einer dieser Städte, Maan. Ungefähr 2.000 Jordanier sollen derzeit in Syrien aufseiten der IS oder der Nusra-Front kämpfen.

derStandard.at: Wie lange wird Jordanien Teil der Anti-IS-Koalition sein?

Bank: Die Stimmung in der Bevölkerung kann durchaus umschlagen, wenn sich aus der Intervention keine deutliche Verbesserung der Situation in Syrien ergibt. Neue Anschläge in Jordanien so wie jener 2005 (Anschlag auf Luxushotels in Amman, Anm.) würden kurzfristig wohl zu einer Solidarisierung mit dem Regime führen, mittelfristig würde der Einsatz aber sicher infrage gestellt. Die "Insel der Stabilität im Nahen Osten", als die König Abdullah das Land gerne bezeichnet, wäre dann bedroht.

derStandard.at: Fürchtet das Königshaus eine ernstzunehmende Opposition?

Bank: Die Opposition ist sehr stark fragmentiert. Nur wenige stellen das Königshaus tatsächlich infrage, die meisten erhoffen sich Reformen, aber keine Revolution. Die Muslimbrüder als moderate islamistische Opposition haben die Ermordung Kasaesbehs sofort verurteilt, sie fühlen sich in den vergangenen Jahren aber vom Königshaus entfremdet, weil sie aufgrund eines sehr regimefreundlichen Wahlrechts de facto von der Mitarbeit im Parlament ausgeschlossen sind. Die Jugendbewegung Herak, die vor allem im Süden aktiv ist, führt bis heute regelmäßig Demonstrationen durch, scheitert aber letztlich an mangelnder Organisation und einer Massenbasis. Das jihadistische Spektrum schließlich umfasst einige tausend bis zehntausend Sympathisanten, ist aber hinsichtlich der Frage gespalten, ob sie politisch eine eher quietistische, also passive Strategie verfolgen, oder ob sie sich einer radikalen Version des Jihadismus öffnen sollen. (Florian Niederndorfer, derStandard.at, 4.2.2015)