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Trauer und Demonstrationen in Amman nach Veröffentlichung des IS-Videos, das den Mord an einem jordanischen Piloten zeigt. Für die Regierung ist der Kampf gegen die Islamisten ein Balanceakt.

Foto: REUTERS / Ahmad Abdo

Wien - Das Video der Ermordung des jordanischen Piloten Moaz al-Kasasbeh haben die Propagandisten des "Islamischen Staats" (IS) mit Szenen von verbrannten Zivilisten zusammengeschnitten, die angeblich bei Luftangriffen der Anti-IS-Allianz getötet wurden. Der Jordanier, der beim Absturz seines F-16-Jets während eines IS-Einsatzes gefangen wurde, sollte nach der archaischen Logik der Terrormiliz ebenfalls verbrennen.

Jordanien hatte sich im September der US-geführten Allianz angeschlossen. Aufgrund der exponierten Lage des Landes, das einerseits in der Logistik des Aufstands gegen das Assad-Regime in Syrien eine wichtige Rolle spielt, aber an dessen Grenzen andererseits immer wieder radikale Gruppen auftauchen, die auch Jordanien im Visier haben, war jedoch eher nicht mit einer Beteiligung der Luftwaffe gerechnet worden. Bereits Ende September flog sie jedoch ihren ersten Einsatz.

Auf die Infiltrierungsversuche der IS in Jordanien wurde auch als offizielle Begründung für den militärischen Beitrag hingewiesen. Denn die Teilnahme an der Anti-IS-Allianz ist innerhalb Jordaniens nicht unumstritten, wo die IS-Mission, einerseits gegen Schiiten und Ungläubige und andererseits gegen den westlichen Imperialismus und für den "Islam" zu kämpfen, nicht unpopulär ist.

Unbeliebte Allianz

Obwohl die Empörung über den besonders grausamen Mord an Kasasbeh groß ist, werden die Stimmen nicht ausbleiben, die die Entscheidung, an der Seite der Nato und ihrer Verbündeten zu kämpfen, für das Schicksal des Piloten verantwortlich machen.

Jordanien, das von außen oberflächlich als Fels in der Brandung wahrgenommen wird, hat einen aktiven und radikalen islamistischen Untergrund. Das Ausbleiben des Dialogs mit den in den vergangenen Jahrzehnten dominierenden Kräften, die den Muslimbrüdern nahestehen, hat die Salafisten gestärkt. Über die Einschätzung des "Islamischen Staats" in der Bevölkerung gibt es erschreckende Umfragen, etwa eine vom Herbst 2014, bei der herausgekommen ist, dass 38 Prozent die IS nicht für eine Terrororganisation halten.

"Kreuzfahrerstaat"

In Jordanien verfängt bei manchen auch der Versuch der radikalen Islamisten, die gesamte Staatenordnung im Nahen Osten zu delegitimieren. Sie bezeichnen jene Staaten, die erst nach dem Ersten Weltkrieg geschaffen wurden, als künstliche koloniale Gebilde. Jordanien, früher das haschemitische Emirat Transjordanien, später Königreich, wurde durch die Teilung des Palästinamandats, das Großbritannien vom Völkerbund erhalten hatte, kreiert. Herrscher wurde mit dem Haschemiten Abdullah I. einer der Söhne des Sherifen von Mekka, Hussein bin Ali, der im Ersten Weltkrieg mit britischer Hilfe einen Aufstand gegen das Osmanische Reich geführt hatte (die Haschemiten wurden später durch Ibn Saud aus dem Hijaz verdrängt). In der jihadistischen Literatur ist stets nur vom "Kreuzfahrerstaat" Jordanien die Rede.

Vor allem sind es aber wirtschaftliche und soziale Probleme, die gewisse Bevölkerungsschichten für radikale Ideen empfänglich machen. König Abdullah ist es nicht gelungen, die traditionellen Eliten - die Träger des Systems - in signifikante Reformen einzubinden. Im Gegenteil, seitdem er und seine Familie auch selbst in die Kritik geraten sind, muss er eher beschwichtigen. Wirtschaftliche Modernisierungsschritte - etwa Privatisierungen - haben die Korruption und die Ungleichheit im Land eher noch verstärkt.

Gläserne Decke

Das alte Schlagwort "royalty for loyalty" gilt noch immer - die zugereisten Haschemiten müssen sich die Loyalität der ostjordanischen Stämme erkaufen. Dazu gehört auch, dass die gläserne Decke für die Palästinenser, die bereits die Bevölkerungsmehrheit bilden, nicht durchstoßen wird. Aber wenn der Glauben in den Staat fehlt, ist die Gefahr groß, dass andere Zugehörigkeiten überhandnehmen und ein Land spalten.

Von außen kommt wenig Druck - Abdullah gilt trotz allem als Garant für Stabilität. Der König unterbrach wegen der Ereignisse einen Besuch in den USA. Dort hat man Jordanien eine erhöhte Hilfe für die nächsten Jahre zugesagt. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 5.2.2015)