In der Nußdorfer Straße 41 befindet sich das Suchtzentrum Change - von außen völlig unscheinbar.

foto: florian bayer

Drinnen ist es hell und freundlich: "Wir wollen einen möglichst niederschwelligen Zugang anzubieten", sagt Michael Dressel, Koordinator für Sucht- und Drogenfragen der Stadt Wien.

Neben der Möglichkeit zum Spritzentausch steht das Beratungsgebot im Vordergrund.

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Wien, Nußdorfer Straße 41. An einer Straßenecke und von außen absolut unscheinbar befindet sich das Suchtzentrum Change. Mitte November 2014 wurde es als eine Zweigstelle des Jedmayer an der Gumpendorfer Straße eröffnet – nicht ohne vorangegangene Proteste. Mittlerweile ist es wieder ruhig geworden, auch von den Gegnern ist nichts mehr zu hören. Ein Lokalaugenschein, drei Monate nach Eröffnung.

Zunehmende Akzeptanz

"Wir hatten noch kein einziges Problem mit unseren Klienten. Auch Verunreinigungen und herumliegende Spritzen sind kein Thema", sagt Sonja Grabenhofer von der Suchthilfe Wien. Die anfängliche Skepsis der Anrainer scheint mittlerweile Akzeptanz und sogar Neugier gewichen zu sein. "Natürlich gibt es auch noch kritische Nachfragen, aber kein Vergleich zu den Anfeindungen, die es im Vorfeld gab. Wir konnten die Ängste, die auch von Politik und Medien transportiert wurden, weitgehend nehmen", sagt auch Michael Dressel, Koordinator für Sucht- und Drogenfragen der Stadt Wien.

Im Moment läuft zwar noch eine Klage gegen den Vermieter des Lokals – wegen angeblicher "widmungswidriger Verwendung". Das Mietobjekt ist schließlich als "Geschäftslokal" gewidmet, aber ob und inwieweit Sozialeinrichtungen als Geschäftslokal gelten, ist nicht genauer definiert. Dressel blickt dem Urteil aber gelassen entgegen, auch weil es vollen Rückhalt des Vermieters gibt.

Beratung und Information

Das Zentrum wird vor allem am Vormittag frequentiert. Über den Tag verteilt kommen etwa 20 Suchtkranke, die sich "über die Theke" informieren oder ihre gebrauchten Spritzen gegen saubere tauschen – kostenlos und anonym. Bei Bedarf werden auch Beratungen angeboten, oft zu Themen wie Beziehung, Wohnen und Finanzielles, aber natürlich auch zu "Safe Use". Das Change-Team will es den Betroffenen ermöglichen, so risikoarm wie möglich zu konsumieren.

Die Substitutionstherapie wird hier zwar nicht angeboten, stößt aber im 2012 eröffneten Jedmayer an der Gumpendorfer Straße auf große Nachfrage. "Sie ist eine der wichtigsten Säulen der Therapie, weil sie die Sucht stabilisiert – bei relativ niedrigen Nebenwirkungen", sagt Dressel. Anders als im Jedmayer geht es in dessen "kleinem Geschwisterl" in der Nußdorfer Straße vor allem um Beratung und Information. Für medizinische Auskünfte, längeren Aufenthalt und Möglichkeit zur Nächtigung ist immer noch das Jedmayer die zentrale Anlaufstelle.

Weil das dortige Angebot stark nachgefragt wird, entschied man sich für eine zweite Einrichtung. Ausschlaggebend für den Standort Nußdorfer Straße waren die innerstädtische Lage und die gute öffentliche Erreichbarkeit mit der U-Bahn, auch für jene aus den Bezirken jenseits der Donau.

Keine Problemzone

"Wir haben ganz bewusst darauf verzichtet, das Zentrum an einem sozialen Hotspot zu errichten, weil wir keine fixen Problemzonen mehr wollen", sagt Dressel. Zumal diese ständig fluktuieren – der früher berüchtigte Karlsplatz etwa ist längst keine Problemzone mehr.

Dass der neue Standort bei höherem Zustrom – die Kapazität beträgt rund 100 Personen täglich – zu einer solchen werden könnte, bezweifelt er: "Zum einen bieten wir hier nur Beratung. Das ist kein Ort, an dem man sich länger als nötig aufhalten würde. Zum anderen ziehen wir mit Sicherheit keine Dealer an, ganz einfach weil wir unter erhöhter sozialer Kontrolle von Nachbarn und Anrainern stehen." Außerdem findet der Drogenschwarzmarkt fast ausschließlich im Bereich der U-Bahn statt – "weil sie das innerstädtisch schnellste Fortbewegungsmittel ist".

Generell gab es aber ohnehin nur eine kleine Auswahl möglicher Orte, wie er ergänzt: "Es ist nicht so, dass Vermieter und Eigentümer uns mit offenen Armen empfangen haben. Es gibt keine einzige Drogeneinrichtung, die anfänglich nicht auf Protest gestoßen wäre." Auch das Argument "Eine Einrichtung ist notwendig, aber halt nicht bei uns" greife zu kurz, weil man sich so nur gegenseitig den Schwarzen Peter zuschiebt.

Hoher Bedarf

Auch wenn sich das neue Angebot noch nicht zu jedem herumgesprochen habe und viele erst langsam Vertrauen aufbauen, sei der Bedarf auf jeden Fall da: "Wir leben nun einmal in einer Millionenstadt und brauchen uns nicht die Illusion machen, dass Wien die weltweit einzige Stadt ist, wo kein Gift auf die Straße kommt", sagt Dressel. Hierzulande müsse man aber ohnehin froh sein, denn das Problem mit harten Drogen sei im internationalen Vergleich "sehr moderat".

Dennoch dürfe man Abhängigkeit auf keinen Fall verharmlosen: "Betroffene brauchen möglichst niederschwelligen Zugang zu Hilfseinrichtungen. Sucht ist nach wie vor Thema und wird es auch immer bleiben", sagt Grabenhofer, die auch die Beratungsstelle Checkit leitet, wo Konsumenten ihre Substanzen analysieren und auf ihre Inhaltsstoffe überprüfen lassen können.

Vor allem die relativ neuen Designerdrogen machen den Suchtberatern Sorgen, weil deren Folgen und Wirkungen oft noch gar nicht bekannt sind. Weil ständig neue Produkte und Substanzklassen auf den Markt kommen, ist es auch für den Gesetzgeber schwierig, diesen Bereich zu reglementieren.

Konstante Zahl

Bei Change in der Nußdorfer Straße stehen ohnehin Opiatabhängige im Vordergrund, insbesondere Heroinsüchtige, und deren Zahl ist seit Jahren relativ konstant. Die meisten Klienten, überwiegend männlich und im Schnitt zwischen 20 und 30 Jahre alt, haben Schwierigkeiten, sich auf Unterstützung von außen einzulassen.

"Umso wichtiger ist es, einen möglichst niederschwelligen Zugang anzubieten und mögliche Hürden abzubauen", sagt Dressel. Deshalb werde man auch künftig alles tun, um Vorurteile abzubauen und die Betroffenen als das zu sehen, was sie sind: Menschen, die Hilfe brauchen. (Florian Bayer, derStandard.at, 11.2.2015)