Sie sind Fremde in ihrem Heimatland. Dürfen nur mit offizieller Erlaubnis heiraten, haben kein Einkommen und überleben nur mit internationaler Hilfe. Die muslimische Minderheit der Rohingya darf in Burma (Myanmar) nicht einmal ihren Namen nennen. Für die Regierung in Naypyitaw sind die rund 1,3 Millionen Menschen in ihrem Land schlichtweg "illegale Migranten aus Bangladesch" und werden nicht zu den 134 Ethnien Burmas gezählt.

Somit haben die Rohingya per Gesetz von 1982 auch kein Recht auf die Staatsbürgerschaft und gelten als staatenlos. Streitpunkt ist der Ursprung der Volksgruppe, die selbst sagt, bereits seit Jahrhunderten in dem burmesischen Gebiet zu leben. Die Regierung sagt hingegen, dass sie während der Zeit der britischen Kolonialisierung aus Bangladesch eingewandert seien und der Name Rohingya überhaupt erst seit den 1950er-Jahren verwendet werde.

Vor allem im ärmsten Bundesstaat des Landes, Rakhine im Südwesten, kommt es immer wieder zu gewaltsamen Übergriffen auf die Angehörigen der Volksgruppe, die ihren Namen von dem Bundesstaat ableitet. Allein Ausschreitungen im Jahr 2012, die nach der mutmaßlichen Vergewaltigung einer buddhistischen Frau durch drei Rohingya-Männer stattfanden, zwangen mehr als hunderttausend Menschen zur Flucht. 140.000 Rohingya leben noch immer als Binnenflüchtlinge in rund 100 Lagern, 80 Prozent von ihnen laut der UNHCR-Vertretung in Burma in rund 20 Lagern nahe Sittwe, der Hauptstadt von Rakhine. Privatsphäre ist quasi nicht existent.

Selbst in den Flüchtlingslagern, die zum Teil von der lokalen Regierung und zum Teil von Hilfsorganisationen betreut werden, werden die Rohingya diskriminiert. Chris Bleers, Leiter der Vertretung des Norwegian Refugee Council vor Ort, beschreibt den offensichtlichsten Unterschied: "Sind die Behausungen der anderen Rakhine-Flüchtlinge auf Stelzen gebaut, um sie vor Überflutungen zu schützen, stehen die Hütten der Rohingya direkt auf dem Boden und sind dem Wetter ausgesetzt."

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Zwei Angehörige der Rohingya-Minderheit am Grenzzaun zwischen Burma und Bangladesch.
Foto: REUTERS/Minzayar

Medizinische Hilfe ist für sie nicht leicht zu bekommen, sie dürfen die Lager nicht verlassen, Krankenhäuser sind oft kilometerweit entfernt. Ein Bericht des arabischen TV-Senders Al Jazeera zitierte Bewohner von Rakhine, die auch von Ungleichbehandlung durch Ärzte berichten. So würden Rohingya oft schlechter oder gar nicht behandelt. Vertreter von Hilfsorganisationen vor Ort bestätigen das auf Nachfrage nicht. Äußerungen zu dem Thema sind prinzipiell schwer zu bekommen, die burmesische Regierung weist Kritiker schnell aus dem Land.

So geschehen im Vorjahr, als 170 Hilfsarbeiter Rakhine verlassen mussten, auch die niederländische Sektion von Ärzte ohne Grenzen wurde des Bundesstaats verwiesen. Erst nach zahlreichen Gesprächen mit Regierungsvertretern durfte die Organisation Mitte Dezember 2014 ihre Arbeit wieder aufnehmen. Zehntausende Menschen waren in der Zwischenzeit ohne medizinische Versorgung geblieben, vor allem HIV/Aids- und Tuberkulose-Patienten konnten ihre Behandlung nicht fortsetzen.

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Eine Familie in einem Rohingya-Camp in Burma. Rund 700.000 Menschen leben in dem Land in Dörfern ohne Bewegungsfreiheit oder Zugang zu Gesundheit und Bildung.
Foto: AP Photo/Gemunu Amarasinghe

Selbst die UN-Sonderbeauftragte für Burma, Yanghee Lee, ist vor Einschränkungen der Meinungsfreiheit bei dem Thema nicht gefeit. Vergangene Woche sprach sie sich für mehr Rechte für die Angehörigen der Minderheit aus und wurde daraufhin von einem prominenten burmesischen Mönch als "Schlampe" und "Hure" bezeichnet. Die offizielle Reaktion der Regierung in Naypyitaw beinhaltete kein Wort der Entschuldigung, sondern wies nur darauf hin, dass es sich bei dem Thema um eine "nationale Angelegenheit" handle.

Amnesty-International-Mitarbeiterin Laura Haigh sorgt sich auch um die künftige Entwicklung in Sachen Rohingya. "Nicht nur, dass die Regierung wenig Interesse zeigt, die Situation zu verbessern, auch geplante Gesetze würden die Diskriminierung der Rohingya noch weiter ausdehnen, wenn sie umgesetzt werden", sagt Heigh. Konkret geht es um vier Gesetze "zum Schutz der Rasse und Religion", die unter anderem die Hochzeit zwischen buddhistischen und nichtbuddhistischen Personen und Religionswechsel betreffen.

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Eine Gruppe von Rohingya-Buben während des Sonnenaufgangs in Rakhine.
Foto: REUTERS/Minzayar

Die Vertreter der Hilfsorganisationen sind sich einig, dass der tiefgreifende Konflikt nicht in kurzer Zeit gelöst werden kann, appellieren aber an die Regierung, den Rohingya die Staatsbürgerschaft und somit ihre Rechte zu geben. Die Diskriminierung im eigenen Land treibt viele Menschen zu Schleppern, die sie per Boot und ohne Nahrung oder Schutz nach Thailand bringen und von dort weiter nach Malaysia. Viele flüchten auch über die Grenze nach Bangladesch, wo sich offiziell 30.000 Rohingya aufhalten. Schätzungen gehen allerdings von 200.000 nichtregistrierten Flüchtlingen aus, die keine internationale Unterstützung erhalten.

Die Vereinten Nationen bezeichnen die Volksgruppe als eine der am meisten diskriminierten weltweit. Die mediale Aufmerksamkeit für die Krise ist in den vergangenen Jahren gestiegen, sagt Haigh: "Aber es ist eine Schande, dass das kein gesteigertes internationales Engagement zur Folge hatte." Die Staaten würden zulassen, dass die burmesische Regierung das Thema unter den Teppich kehrt, weil sie in das ressourcenreiche Land investieren wollen. Das könne aber nicht auf Kosten der Menschenrechte geschehen. (Bianca Blei, derStandard.at, 14.2.2015)