Wien - Was durch eine Mauer getrennt ist, wird durch dieselbe gemeinsame Mauer auch verbunden. Diese Erkenntnis nutzt die Hamburger Choreografen-Legende John Neumeier, um zwei Stücke zu einem Ballettabend zu verkoppeln. Premiere war an der Staatsoper unter dem Titel Verklungene Feste / Josephs Legende.

Drei bewegliche Wandmonolithen setzt Neumeier ein, um die Räume in beiden Werken zu definieren. Weitere Gemeinsamkeiten verstärken den Eindruck der Zusammenführung noch: Die Musik (Staatsopernorchester unter Mikko Franck) stammt jeweils von Richard Strauss. Und der Inhalt hat dort wie da mit gesellschaftlichen Erosionen zu tun.

Die Tänzer-Stars der Premiere waren eindeutig Rebecca Horner als Potiphars Frau und Denys Cherevychko als Joseph. Den Titel Verklungene Feste darf man wörtlich nehmen: Eine Gesellschaft kann es nicht fassen, dass ihre Party vorbei ist. Sie versucht, die Stimmung wiederzubeleben, und endet als buchstäblich an die Wand gestelltes Elendsbild. Umgedreht, ergibt die Ziegelmauer den goldgetäfelten Festsaal von Potiphars Haus. Neumeier unterstreicht das Drama, aber er bringt auch Geschlechterambivalenzen mit ein. (ploe, DER STANDARD, 6.2.2015)