Bild nicht mehr verfügbar.

Bis der Skandal um den Missbrauch von Minderjährigen in Rotherham aufgeklärt wird, werden vermutlich noch Jahre vergehen. Eine Neuseeländerin soll den Behörden den Weg weisen.

Foto: EPA

Im dritten Anlauf hat es endlich geklappt: Sieben Monate nach der ersten Ankündigung hat die britische Innenministerin Theresa May die umfassende Untersuchung von Sexualverbrechen in Rotherham gegen Kinder und Jugendliche auf den Weg gebracht. Das mit gesetzlich gesicherter Unabhängigkeit ausgestattete Gremium wird von der Neuseeländerin Lowell Goddard, 65, geleitet.

Welch unhaltbare Zustände die Richterin am High Court aufzuarbeiten hat, verdeutlichte ein neuer Bericht über die Stadtregierung von Rotherham: Dort würden die Straftaten von Männern, die überwiegend pakistanischer Herkunft sind, gegen britische Mädchen "wegen deplatzierter politischer Korrektheit" weiterhin verneint oder heruntergespielt, heißt es darin.

Vehementes Dementieren

Die Analyse einer hohen Regierungsangestellten fasst die Reaktion auf eine unabhängige Untersuchung zusammen, deren Ergebnis im vergangenen August veröffentlicht wurde: "Nach konservativer Schätzung" wurden in der 240.000-Einwohner-Stadt im nordenglischen Yorkshire zwischen 1997 und 2013 mindestens 1400 Minderjährige missbraucht, "von mehreren Tätern vergewaltigt, in anderen Städten herumgereicht, entführt, geschlagen und eingeschüchtert".

Die Verantwortlichen aber verharren in trotziger Verneinung, so der aktuelle Bericht von Louise Casey. In der Rotherhamer Verwaltung herrsche eine "ungesunde Atmosphäre von Einschüchterung, Sexismus und Unterdrückung unangenehmer Fakten".

Sofort nach Veröffentlichung der 153-seitigen Anklageschrift trat die Labour-dominierte Stadtregierung geschlossen zurück. Kommunalminister Eric Pickles ordnete die Wiederwahl sämtlicher Stadträte an. Offenbar haben zwei Kommunalpolitiker sowie ein Polizist die vielfachen Straftaten nicht nur vertuscht, sondern sich selbst daran beteiligt.

Ein leitender Polizeibeamter berichtete Casey von einem Gespräch mit zwei Stadträten: Diese hätten "mit Krawallen gedroht" für den Fall, dass die Behörden wie geplant unter Tatverdacht stehenden asiatischen Taxifahrern auf den Zahn fühlen würden.

Die erneuten Enthüllungen von Rotherham geben der Kommission unter Richterin Goddard zusätzliche Aktualität. Die unabhängige Untersuchung geht auf eine Reihe von Skandalen zurück, die Großbritannien schon seit 2012 in Atem halten. Vorwürfe schwerster Straftaten, von Bedrohung über Körperverletzung und Leichenschändung bis zu Massenvergewaltigung, wurden von Polizei- und Sozialbehörden über mehrere Jahrzehnte ignoriert oder unterdrückt.

Jahrelange Untersuchungen

Die Neuseeländerin Lowell Goddard rechnet mit mindestens drei Jahren Arbeit, bei der die Opfer der Straftaten im Mittelpunkt stehen sollen: "Deren Erfahrungen werden die Untersuchung bestimmen." (Sebastian Borger, DER STANDARD, 6.2.2015)