Dass der Ukraine-Konflikt einem neuen Höhepunkt zutreibt, hatte sich in den vergangenen Wochen immer deutlicher abgezeichnet. Endgültiges Scheitern des Minsker Abkommens vom September, Angriffe gegen Zivilisten, neue Forderungen der Separatisten, begleitet von einer militärischen Offensive - das alles lässt nur einen Schluss zu: Wladimir Putin will ein weiteres Mal wissen, wie weit er gehen kann.

Die verschärfte Debatte über Waffenlieferungen an Kiew spiegelt die Ratlosigkeit im Westen wider. Mit ihrer diplomatischen Feuerwehr-Mission wollen die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande verhindern, dass der Konflikt eine nicht mehr kontrollierbare Eigendynamik entwickelt.

Aber was können sie bieten, ohne eigene Prinzipien aufzugeben und die demokratisch gewählte prowestliche Führung in Kiew zu desavouieren? Und was kann Putin akzeptieren, ohne bei der eigenen Bevölkerung, die er mit der Krim-Annexion euphorisiert hat, das Gesicht zu verlieren?

Fürs Erste kann er es propagandistisch als Erfolg verbuchen - und verwerten, dass sich die mächtigsten Politiker Europas zu ihm in den Kreml begeben. Dass Merkel und Hollande dies offensichtlich in Kauf nehmen, unterstreicht den Ernst der Lage. Es geht darum, ohne Prestigedenken ein Minimum an Vertrauen wiederherzustellen. Ohne dieses sind alle diplomatischen Lösungsversuche zwecklos. (Josef Kirchengast, DER STANDARD, 6.2.2015)