Bild nicht mehr verfügbar.

Protest in Brüssel gegen das geplante Freihandelsabkommen TTIP. Die achte Verhandlungsrunde wird am Freitag abgeschlossen.

Foto: REUTERS/Yves Herman

Johann Sollgruber an die TTIP-Kritiker: Das Abkommen bringt Planungssicherheit für Unternehmen, die letztendlich auch den Konsumenten zugutekommt.

Foto: Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich

Wer ein Handelsabkommen aushandelt, möchte, dass dieses Abkommen auch einen Nutzen bringt und dass dieser Nutzen auch erhalten bleibt, wenn ein Vertragspartner seine eigenen Gesetze verbessert. Daher ist die Zusammenarbeit in Regulierungsfragen ein zentraler Pfeiler des transatlantischen Freihandelsabkommens. Wäre dies nicht der Fall, würden wir heute über Dinge verhandeln, die morgen schon ganz anders aussehen könnten. Es geht daher um Planungssicherheit für Unternehmen, darunter viele österreichische klein- und mittelständische. Letztendlich kommt diese Sicherheit auch den Konsumenten zugute.

Ebenso möchte jemand, der über den Atlantik segelt, wissen, woher der Wind weht, um ihn als Triebkraft nutzen zu können. Zu diesem Zweck soll ein "Regulation Cooperation Body" (RCB) eingerichtet werden, um sich über Gesetzesvorhaben, die Einfluss auf den Handel haben könnten, auszutauschen. Diese Vorschriften bedeuten also entweder Wind in den Segeln oder Gegenwind.

Keine klassischen Verhandlungen

Ähnliche Formen der Kooperation existieren bereits jetzt: Sowohl die USA als auch die EU veröffentlichen regelmäßig Listen von geplanten Gesetzesvorschlägen, die für alle zugänglich sind und Informationen wie Titel, Inhalt, Zeitplanung, Art des Gesetzgebungsprozesses und erwartete Auswirkungen beinhalten. Dies schafft nicht nur Transparenz in der EU-Gesetzgebung, sondern ermöglicht auch diversen Stakeholdern aus der Zivilgesellschaft oder Unternehmen, sich frühzeitig mit der Materie auseinanderzusetzen und sich effektiv einzubringen. Die laufenden Gespräche zur regulatorischen Zusammenarbeit sind zudem keine Verhandlungen im klassischen Sinne: Vielmehr überlegen dort Regulatoren, in welchen Bereichen sie wie zusammenarbeiten könnten.

Regulierungsforen ohne gesetzgeberische Kompetenz

Die EU-Kommission stellt sicher, dass die EU-Gesetzgebung weiterhin durch das Europäische Parlament, den Rat beziehungsweise die Mitgliedsstaaten erfolgt. Keine der in TTIP verhandelten Regelungen wird den Entscheidungs- und Gesetzgebungsprozess in den EU-Mitgliedsstaaten oder in den USA gefährden, so auch nicht der "Regulation Cooperation Body". Inhaltlich soll sich der RCB mit rein formalen Regeln zur Vermarktung von Gütern und der Bereitstellung von Dienstleistungen auseinandersetzen. Bereiche wie soziale Sicherheit, Arbeitsbedingungen, Besteuerung et cetera werden ausdrücklich ausgenommen. Selbst jene genannten eng vordefinierten Regelungsgegenstände, die Teil des RCB werden, sind durch einen hohen Protektionsgrad auf beiden Seiten abgesichert.

Und nochmals: Diese Regulierungsforen haben keine gesetzgeberische Kompetenz, sie dienen ausschließlich dazu, eine engere Zusammenarbeit und einen besseren Informationsaustausch zu ermöglichen und entsprechende Empfehlungen abzugeben. So auch im Bereich Finanzdienstleistungen. Dieser ist einerseits in hohem Maße reguliert, und andererseits besteht auch eine starke Verflechtung zwischen der EU und den USA. Allerdings ist eine Verflechtung der Finanzmärkte nur dann tragfähig, wenn die Regulierung in beiden Rechtssystemen einheitlich gehandhabt wird.

Koordinierung in Regulierungsfragen

Internationale Normen, die infolge der Krise insbesondere im Rahmen der G-20 vereinbart wurden, legten diesbezüglich hochgesteckte Ziele fest. Aber ohne gemeinsame Konzepte stehen wir häufig vor dem Problem, dass die neuen Vorschriften zu Handelshemmnissen bei Finanzdienstleistungen führen.

Im Rahmen des Dialogs über die Regulierung der Finanzmärkte konnten die USA und die EU mehr Vertrauen und Verständnis für die jeweiligen Regulierungs- und Aufsichtsmechanismen schaffen. Dieser Dialog besteht bereits seit 2002, aber seitdem hat sich die Welt verändert. Die jüngste Finanzkrise hat deutlich gemacht, dass wir die Regulierungs- und Aufsichtspolitik stärker koordinieren müssen. Daher wollen wir im Rahmen von TTIP ein strukturiertes, nachvollziehbares, transparentes und geregeltes Verfahren zur Zusammenarbeit in Regulierungsfragen einrichten.

Hierzu gehören auch Mechanismen zur Bewertung der Gleichwertigkeit des Regulierungs- und Aufsichtsrahmens der Vertragsparteien. Bei einer positiven Bewertung könnte man sich somit auf die Vorschriften der anderen Vertragspartei verlassen.

Die Gleichwertigkeit würde jedoch der eingehenden Bewertung unterliegen, ob das Resultat einer Regulierung des Finanzsektors auf beiden Seiten des Atlantiks qualitativ gleich ist. Eine solche Bewertung läge zuletzt in der Verantwortung der Regulierungsbehörden auf beiden Seiten. Gerade bei der Regulierung der Finanzmärkte könnte eine stärkere Kooperation gegebenenfalls auch dazu dienen, österreichische Ideen, wie zum Beispiel eine Finanztransaktionssteuer, schneller und effektiver umzusetzen. (Johann Sollgruber, derStandard.at, 6.2.2015)