Als hier unlängst die Rede von Lawinensicherheitstrainings und Lawinenverschüttetensuchgeräten war, bekam ich von ganz verschiedenen Leuten das - sinngemäß - gleiche Mail: Wieso ich zum Thema Lawinensicherheit so ein Tamtam mache und gelegentlichen Offpiste-Fahrern (und -innen) den Spaß verderbe. Das Gerede rund um LVS-Schaufel-Sonde, Airbags, Risikomanagement und Notfalltraining beträfe doch nur "Hardcore"-Offpistler - für den Normalo im Gelände gäbe es einfachere und billigere Systeme, die in Jacken, Hosen, Schuhe oder Helme eingearbeitet wären. Serienmäßig.

Das Zauberwort laute "Recco" - und es sei erstaunlich, dass ich dieses Rettungssystem weder erwähne noch beschriebe: Ein Blick auf die Homepage des Unternehmens würde genügen. Denn Recco werde weltweit von 700 Einsatzkräften, Bergbahnen und Rettungsorganisationen verwendet. Und zahllose Marken verbauten die halbelastischen Plättchen in ihrer Ware. Ob ich die alle für inkompetente Spinner hielte?

Foto: Thomas Rottenberg

Mitnichten. Aber ich habe mehr als die Startseite des von Magnus Granhed nach einem Lawinenunglück am 30. Dezember 1973 im schwedischen Are gegründeten Unternehmens gelesen. Da betonen die Recco-Leute selbst, dass der Weg ins freie Gelände ohne Schaufel-Sonde-LVS (und das nötige Wissen) schlicht und einfach fahrlässig ist.

Foto: Thomas Rottenberg

Denn auch wenn das Auffinden eines Verschütteten mit einem Recco-Reflektor am Körper schneller und präziser funktioniert, als das Suchen per LVS, hat die Sache (neben der Notwendigkeit, den Verunglückten dann auch auszubuddeln) noch einen Haken. Und der wird von Sport"fach"händlern, die einem eine Recco-bestückte Hose als "Sicherheitsdingsbums" (selbst erlebt…) andienen, im Allgemeinen nicht erwähnt. Ob aus Unwissenheit oder Geschäftsinteresse lasse ich dahingestellt.

Um einen Recco-Reflektor zu orten, muss ein Recco-Suchgerät vor Ort sein. Und das ist es nicht. Zumindest nicht verlässlich innerhalb jenes Zeitfensters, in dem die Chancen eines Verschütteten, unter den Schneemassen NICHT zu ersticken - also eine Lebendbergung - realistisch ist: Nach 15 Minuten sinkt diese Chance im Minutentakt signifikant. Und jeder Berg- oder Flugretter bestätigt, dass es kaum vorkommt, dass professionelle Helfer so rasch vor Ort sind.

Foto: Thomas Rottenberg

Doch das etliche tausend Euro teure Suchgerät von Recco haben ausschließlich Profis: Jeder Hubschrauber. Jeder Rettungstrupp. Viele Bergstationen und Bergbahnbetreiber. Pistenpolizisten. Und so weiter.

Deshalb betonen alle, die vom Berg eine Spur von Ahnung haben mantraartig, dass an Kameradenbergung, an Schaufel-Sonde-LVS, Training und Kompetenz kein Weg vorbei führt. Recco kommt da nicht vor: Ein einziges Mal - vor Jahren - hörte ich einen Bergretter, das System loben: "Da brauchen wir nimmer warten, bis die Leichen im Frühjahr rausapern." Namentlich zitiert wollte der gute Mann mit diesem Satz "auf gar keinen Fall" werden.

Darum habe ich vorletzte Woche in Lech mit Martin Schuster geplaudert. Schuster ist Leiter des "Alpincenter Lech": Einer Skischule, die - wie viele am Arlberg - immer öfter Gäste mit Bergführern ins freie Gelände schickt. Und daher schon aus Selbstschutz allerhöchsten Wert auf Sicherheit, Ausrüstung und Knowhow legt. Schuster zeigte und erklärte mir das System - was es kann. Und was es nicht kann.

Thomas Rottenberg

(Thomas Rottenberg, derStandard.at, 8.2.2015)