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SPÖ und ÖVP geben sich recht plakativ neue Programme und fragen ihre Parteimitglieder - die Schwarzen via Internetplattform, die Roten in österreichweiten Diskussionen.

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Wien - Unterschätze nie die Macht der Bilder! An diese Regel aus dem Einmaleins der professionellen Zielgruppenkommunikation haben sich die beiden Großparteien diesmal in koalitionärer Eintracht gehalten.

Die schwarze Interpretation des PR-Mantras dauert eine Minute und fünf Sekunden. In dem kurzen Werbeclip der ÖVP-Parteiführung wird dem interessierten Beobachter erklärt, warum man sich ein neues Programm verpassen will. Kurz gefasst: Die Welt ändert sich rasant, die Volkspartei will da nicht länger als die alte Tante von vor 20 Jahren dastehen, sondern Antworten auf die Fragen von heute - oder noch besser: von morgen - finden. Basierend natürlich auf dem "starken Wertefundament" und selbstredend in der "offenen Diskussion mit den Bürgern". Und "Bürgerinnen".

Schnitt. Szenenwechsel zum roten Programm-Werbefilm. Inhaltlich ist man hier auf einer Wellenlänge: "Jetzt. An diesem Tag. In dieser Stunde. Mit diesem Herzschlag. Ändert sich die Welt", lässt die aufgeregte Sprecherstimme wissen. Dazu Bilder von Hochwasserkatastrophen, Flüchtlingslagern, Aktienkursen. Mit einer Gesamtlänge von zwei Minuten und fünf Sekunden und unterlegt mit aufwühlender Musik will der Spot vermitteln: Uns geht es um die großen Themen. Freiheit, Gleicheit, Gerechtigkeit und Solidarität. Dazu die Stimme aus dem Off: "Was sollen sie in einer neuen und sich ständig verändernden Welt bedeuten?"

Rotes Programmheft

Ein Besuch des Standard im Büro von Josef Cap. Es liegt jetzt etwas weiter hinten in den weitläufigen Gängen des Parlaments. Zwar ist Cap immer noch Vizechef des SP-Klubs und Präsident des Renner-Instituts, jetzt spricht er aber in seiner Rolle als roter Oberprogrammierer der "Gemeinsam.Reform" genannten Parteireform. Mit dem 27-seitigen Fragenkatalog in der Hand übernimmt er nahtlos, was der Sprecher im Werbefilm nicht in voller Länge ausführen konnte. Alle 25 Fragen plus Subfragen, die er gemeinsam mit Genosse Karl Blecha in das rote Programmheft hineingeschrieben hat, schafft aber auch Cap nicht. Für Interessierte: Es umfasst die Suche nach einem neuen Arbeitsbegriff ebenso wie jene nach einem gerechten Steuersystem. Dass "der Snowden" (Edward, Anm.) im TV-Spot drinnen ist, ist ebenfalls Josef Cap zu verdanken. Ist er doch das Bild zur Debatte über den Freiheitsbegriff in einer digitalisierten Gesellschaft. Ach ja, online wollen die Sozialdemokraten natürlich auch debattieren.

Schwarze Fragen

ÖVP-Zentrale in der Wiener Lichtenfelsgasse. In Sachen Online-Beteiligung ist man hier bereits einen (Evolutions-)Schritt weiter. Über 3000 Ideen hat man in den vergangenen Monaten via Internetplattform gesammelt und daraus 39 Fragen an die Mitglieder destilliert. Gerade eben hat Generalsekretär Gernot Blümel die knapp 13.000 beantworteten Fragebögen wieder eingesammelt. Seine Zwischenbilanz des "Evolution Volkspartei" genannten Reformprozesses fällt wenig überraschend positiv aus. Davon, dass die Beteiligung lediglich bei knapp zwei Prozent lag und diejenigen, die sich eine stärkere Einbindung der Frauen in ihrer Partei wünschen, mit bescheidenen 57 Prozent aufgezeigt haben, lässt sich der General nicht die Stimmung verderben.

Muss er auch nicht, findet jedenfalls Walter Marschitz, Sprecher der Plattform für offene Politik, auf dessen Computer einst das 95er-Parteiprogramm geschrieben wurde. Schließlich handle es sich hierbei um "eine Frage, wo es wirklich um etwas geht", eine "Machtfrage" , die "leidenschaftlich diskutiert wurde" und die "polarisiert". Und dafür, so Marschitz, "ist die Zustimmung eigentlich hoch". Auch die ÖVP-Frauen geben sich nach massivem Trommeln für ein Reißverschlussprinzip erst einmal zufrieden. Deren Chefin Dorothea Schittenhelm will gar eine "große Zustimmung" herauslesen können.

Chancen auf Realisierung in Form eines Parteitagsbeschlusses beim Reformparteitag am 12. und 13. Mai haben eher andere Themen: ein verbindliches parteiinternes Vorzugsstimmensystem (87 Prozent), das gemeinsame Ablehnen von Substanzsteuern (85,3 Prozent), ja sogar die Beschneidung des bündischen Machtbereichs (85,9 Prozent). Bei Letzterem hat man dem laut General Blümel durchschnittlich 60 Jahre alten männlichen Parteimitglied die Latte tief gelegt.

Notwendige Debatten

Ob die Partei bei Listenerstellungen künftig "nicht auf bündische Zugehörigkeit", sondern "alleine auf die fachliche und politische Qualifikation" der Kandidaten achten soll, wollte man da handzahm wissen. Staatssekretär Harald Mahrer, der an Fragestellungen wie dieser mitgearbeitet hat, erklärt: "Viele dieser Debatten sind für die Sensibilisierung notwendig." Marschitz findet überhaupt, dass man nur durch die Blume formuliert, was der eigentliche Plan ist: die Macht der Bünde beschneiden. Und anders als bei Josef Prölls "Perspektiven", deren Perspektive auf politische Realisierung von vornherein vage geblieben sind, ist sich Marschitz diesmal sicher: "Da kommt man jetzt nicht mehr raus, der in der Not unter Ex-Obmann Michael Spindelegger gestartete Prozess wird jetzt, begünstigt durch den frischen Wind Reinhold Mitterlehners, Ergebnisse liefern.

SPÖ-Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos hält einen Großteil dessen, was die schwarze Parteiführung von ihren Mitgliedern wissen will, für Suggestivfragen. Und er vergisst nicht, darauf hinzuweisen, wie eifrig und offen die SPÖ vergleichsweise an die Sache rangeht: Eine "Ideentour" soll es geben, und "aktuell" finden laut Darabos österreichweit Diskussionen "zum neuen Programm und zu Reformen im Organisationsbereich statt". Beim Rundruf des Standard durch die roten Landesorganisationen hatte sich das allerdings noch nicht herumgesprochen. "Es gibt noch keinen Termin" hieß es in Niederösterreich. "Bis zu den Wahlen am 15. 3. wird sich wenig tun", sagen die Vorarlberger. Und auch die Salzburger Genossen sind erst "am Planen". Einzig die Wiener, die ob der nahenden Landtagswahl die Programmdebatte gleich zur Funktionärsmobilisierung nutzen, nehmen den Diskussionsaufruf des roten Generals wörtlich.

Ist ja auch noch Zeit. Nach einer ersten Feedbackrunde aus der Parteibasis will man in Arbeitsgruppen konkrete Textbausteine entwerfen. Geplante Beschlussfassung nicht vor dem Jahr 2016. (Karin Riss, DER STANDARD, 7.2.2015)