Wien - Der Rechnungshofbericht zur Strafjustiz stößt in der Richterschaft auf große Skepsis. Richter-Präsident Werner Zinkl erachtet die Empfehlungen als "großteils unzulässig".

Unzulässig ist aus seiner Sicht, aus der Prüfung dreier Bezirksgerichte in Großstädten (Wien und Graz) zu schließen, dass weitere Bezirksgerichte zusammengelegt oder Strafsachen gar beim Landesgericht konzentriert werden sollten. Die kleineren Delikte, für die die Bezirksgerichte zuständig sind, zentralisiert zu erledigen, würde Wege für Zeugen und Beschuldigte verlängern, höhere Kosten und oft auch längere Verfahren bringen.

"Zwei Stunden Fahrzeit"

Zeugen müssten dann nämlich "zwei Stunden mit Bus und Bahn von Bad Radkersburg nach Graz fahren, um auszusagen, dass sie einen Zahnbürstldiebstahl beobachtet haben". Viele würden sicherlich der Ladung gar nicht mehr folgen, womit Verfahren verlängert würden. Wenn sie vorgeführt werden - was in BG-Sachen ohnehin recht oft der Fall sei -, wäre das ein "Riesenaufwand" für die Polizei.

Nicht zulässig ist es für Zinkl, die Straf-Verfahrensdauer an Bezirk- und Landesgerichten direkt zu vergleichen - wo die Prüfer den Schluss zogen, dass erstere fast doppelt so lange dauern. Der RH habe übersehen, dass es bei BG so gut wie nie staatsanwaltliche Ermittlungen vorher gibt, während LG-Richter die Strafsachen umfassend vorermittelt auf den Tisch bekommen.

Und übersehen habe der RH auch, dass an Bezirksgerichten Diversion und Außergerichtlicher Tatausgleich viel häufiger sind - weil dort eben die kleineren Delikte geahndet werden, für die diese Erledigungsformen zulässig sind. Für einen Tatausgleich brauche man aber mehr Zeit, schon für das Aushandeln und dann haben Betroffene sechs Monate Zeit, eine Geldbuße oder gemeinnützige Tätigkeit zu leisten. Erst danach gilt das Verfahren als beendet.

"Arbeit entwertet"

"Schade" ist es für den Präsidenten der Richtervereinigung, "dass eine so umfassende Arbeit durch solche Rückschlüsse entwertet wird". Empfehlungen, die einen Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit bedeuten würden, weist er strikt zurück. Es sei Teil der Unabhängigkeit und damit Sache jeden Richters, wie er seine Arbeit erledigt oder wann er eine Verhandlung ausschreibt.

Die Empfehlung, die Frauenquote bei der Geschäftsverteilung einzuhalten, könne gar nicht umgesetzt werden. Denn Richter seien unversetzbar - und die Akten könnten nur unter den an ein Gericht ernannten Richtern verteilt werden, machte Zinkl klar.

Der Rechnungshof hat seinen Bericht über "Steuerung und Qualitätssicherung" in Strafverfahren am Donnerstag veröffentlicht (derStandard.at berichtete). Geprüft wurden drei Bezirksgerichte (Wien-Döbling, Graz-West und Graz-Ost) sowie Landesgerichte (Linz und Wiener Neustadt). Die Verfahren dauerten an den BG fast doppelt so lang wie an den LG, konstatierten die Prüfer - und forderten die Zusammenlegung kleiner BGs oder die Konzentration von Strafverfahren bei den Landesgerichten. Und sie plädierten für konkrete Vorgaben für Auswahl und Fortbildung der Gerichts-Vorsteher und -Präsidenten sowie für Dienstaufsicht und sonstige Justizverwaltungsaktivitäten. (APA, 7.2.2015)